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Berliner Morgenpost: Mehdorn: Manager und Marionette zugleich - Kommentar

Geschrieben am 29-03-2009

Berlin (ots) - Der VfL Bochum verdankt seinen legendären Ruf
weniger fußballerischer Klasse als vielmehr dem Mythos
"unabsteigbar": Die Ruhr-Elf ist gefürchtet wegen unbeugsamem
Selbstbewusstsein und der Kraft des nackten Willens. Hartmut Mehdorn
ist der VfL Bochum der deutschen Wirtschaft. Regelmäßig wird sein
Ende prophezeit, doch der Chef des größten deutschen Unternehmens
hält sich trotzig im Amt.
Ende vergangener Woche war der Mann mit dem seltsamen Vornamen
"Bahn-Chef" dem Abstieg wieder bedrohlich nah. Zwei neue Gruppen
waren verärgert, die bislang zwar nicht für, aber doch zumindest
nicht geschlossen gegen ihn standen. Nahezu alle
Bundestagsabgeordneten waren ungehalten, weil es hieß, auch ihre
E-Mails könnten geprüft worden sein. Und die Gewerkschafter
schäumten, da das Unternehmen eine Massenmail der
Arbeitnehmervertreter vom Server genommen hatte. Kein schöner Zug der
Bahn, aber: Was hätten die Lokführer wohl getan, wenn Mehdorn ein
zehnseitiges Statement über den GdL-Server verbreitet hätte?
Die Debatte um den Mann, der der Knautschfigur "Bernd, das
Brot" täglich ähnlicher sieht, hat ihre hysterische Phase erreicht.
Es geht kaum mehr darum, ob neue Erkenntnisse nun den Tropfen bilden,
der Mehdorn endgültig ertränkt, oder nur kalter Kaffee sind, wie der
Bahn-Chef sagt. Vielmehr geht es um Macht und Ehre. Mehdorn will sein
Lebenswerk nicht zerstören lassen, seine fehlerreiche, gleichwohl
unbestreitbare Leistung, den Staatskonzern profitabel gemacht zu
haben. Wie ein Westernheld hat er sich in die Rolle des einsamen
Gerechten vertieft.
Zugleich ist er Marionette in einem größeren Spiel, das zwischen den
zerrütteten Partnern der großen Koalition aufgeführt wird. Auf
SPD-Seite steht Werner Müller, der Aufsichtsratschef der Bahn. Müller
kennt alle Ränke aus Politik und NRW-Mafia und wird das Amt kaum der
Kanzlerin schenken, schon gar nicht, da kein Ersatz in Sicht ist in
einem Land, das derzeit nicht gerade birst vor krisenfesten
Firmenlenkern.
Auf der anderen Seite steht eine eingeschnürte Kanzlerin. Bis zur
Wahl gibt es kaum mehr Spitzenposten zu besetzen, weshalb Mehdorns
Job große Bedeutung hat im Macht-Mobile. Setzt die Kanzlerin jetzt
einen Bahn-Boss ihrer Wahl ein, wird sie bei anderen großen
Personalien Konzessionen machen müssen, beim nächsten EU-Kommissar
zum Beispiel, der nach der Europawahl im Juni bestimmt werden muss.
Bizarr, aber wahr: Solange Mehdorn im Amt bleibt, stehen die
Brüsseler Chancen für Merkel-Vertraute wie Roland Koch oder Peter
Hintze besser.
Sicher ist derzeit nichts, nur die wogende Aufregung, zumal der "VfL
Bahn-Chef" an diesem Montag eine positive Überraschung präsentieren
könnte. Denn Mehdorn wird - heißt es jedenfalls aus dem Konzern -
ziemlich ordentliche Unternehmenszahlen präsentieren. Womöglich
bleibt der Mann unabsteigbar. Bis zur nächsten Rücktrittsforderung.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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