(Registrieren)

WAZ: Subventionen in Deutschland - Im Rausch der Rabattschlacht. Leitartikel von Tobias Blasius

Geschrieben am 08-04-2009

Essen (ots) - Die Wirtschaftsprognosen können noch so düster sein,
die privaten Perspektiven noch so ungewiss, seit Wochen werden Autos
beinahe so selbstverständlich gekauft wie Brötchen. Liebgewonnene,
noch fahrtüchtige Wagen landen in der Schrottpresse, nur um bloß
nicht die 2500 Euro Prämie vom Staat für ein neues Gefährt zu
verpassen. Was als ökologisch verkleidete "Abwrackprämie" eher
skeptisch eingeführt wurde, hat es längst zum Schlager dieses
Krisenfrühjahrs gebracht. Wer irgendwie kann, rechnet sich wenigstens
einen kleinen Dacia oder Skoda herbei. Die Bundesregierung hat nun
die Obergrenze von 1,5 Milliarden Euro für diese Subvention mal eben
zu stolzen fünf Milliarden Euro aufgestockt - auf dass bis Jahresende
noch möglichst viele Autos vom Hof rollen. Ein kluger
Konjunkturimpuls? Oder wird hier gleichsam der Verstand mit
abgewrackt?

Selbst wer mit Autohändlern der hochpreisigen deutschen
Premiummarken spricht, die vergleichsweise wenige Verträge schreiben,
hört begeisterte Frontberichte. Die Stimmung der Kunden sei wie
ausgewechselt. Wo eben noch Vorsicht regierte und um jeden Sitzbezug
gefeilscht wurde, herrsche plötzlich Kauflaune. Diese rauschhafte
Begeisterung für den Rabatt erzählt uns Manches über uns selbst. Wenn
der Staat, der uns so viele Steuern abnimmt, einmal die
Förderschleuse öffnet, wollen auch wir bedient werden. Wenn der
Nachbar mit einem neuen Auto vorfährt, wären wir ja schön dumm, nicht
auch ein subventioniertes Gefährt zu erstehen. Die einfache,
erlebbare Subvention (vergleiche Elterngeld, Pendlerpauschale etc.)
ist uns allemal lieber als die weit größere Entlastung durch
irgendwelche Hebesätze. Umgekehrt funktioniert der Mechanismus
allerdings auch: Fast nichts, keine Gesundheitsreform und keine
Beitragsbemessungsgrenze, ärgert einen so sehr wie die zehn Euro, die
am Empfangstresen der Arztpraxis zu entrichten sind. Eine
"Servicegebühr" der Bahn treibt uns an den Rand der
Handgreiflichkeit.

Was gruppendynamisch, gar volkspsychologisch allzu plausibel
erscheint, könnte ein jähes Ende nehmen. Natürlich - wer wollte es
bei klarem Verstand bestreiten? - erhöht jedes staatlich bezuschusste
Auto das öffentliche Defizit, was in Form von höheren Zinsen den
Handlungsspielraum künftiger Generationen weiter verengt. Die
Abwrackprämie ist am Ende doch ein Geschenk, das die Masse der
Steuerzahler den aktuellen Autokäufern macht. Ob sich die Konjunktur
so wirkungsvoll stützen lässt? Wenn die Abwrack-Party vorbei ist,
kann die Stimmung gefährlich leicht umschlagen.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

196660

weitere Artikel:
  • Der neue Tag: Kommentarauszug zur Abwrackprämie Weiden (ots) - "(...) Die Autoindustrie schiebt wieder Sonderschichten (auch die im befreundeten Ausland!), die Reparaturwerkstätten sitzen auf dem Trockenen, der Gebrauchtwagenhandel ist tot. Der nicht so neue Vorwurf, der Staat helfe nur den Großen und lasse die Kleinen links liegen, der findet Bestätigung. Was folgt im Herbst und nach der Bundestagswahl, wenn die Neuwagen-Aufträge abgearbeitet sind? Die totale Flaute ist so sicher wie das Amen in der Kirche an diesem Gründonnerstag. Die 3,5 Milliarden Nachschlag wären sinnvoller anzulegen, mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Kabinett stockt Abwrackprämie auf / Ruhe an der Autofront Cottbus (ots) - Wahljahre beflügeln die Spendierlaune der Politik. Die Abwrackprämie ist dafür ein spektakuläres Beispiel. Man darf getrost vermuten, dass der großzügige Zuschuss ohne den Urnengang im September wohl nie auf die politische Agenda gekommen wäre. Von einer weiteren Mega-Aufstockung ganz zu schweigen. Die Abwrackprämie war ursprünglich eine Gewerkschaftsidee. Schon dieser Umstand hätte in normalen Zeiten genügt, um die Sache mit einem Federstrich zu begraben. Allein, die Zeiten sind alles andere als normal. Nicht nur, weil mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Die Berichte des Roten Kreuzes zu Guantánamo / Vergessen geht nicht Cottbus (ots) - Die jetzt ans Tageslicht gekommenen Berichte des Roten Kreuzes zur Behandlung von Häftlingen im Lager Guantánamo unterstreichen noch einmal nachdrücklich die Forderung nach einer schnellen Aufarbeitung der Verbrechen der Bush-Ära. Die bisher von der Obama-Administration vertretene Linie, nach der eine strafrechtliche Verfolgung der an Folterungen beteiligten Beamten nicht erwünscht ist, wird auf Dauer sowieso nicht zu halten sein. Denn mit den neuen Berichten, die die Beteiligung von medizinischem Personal an den gesetzeswidrigen mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Neonazis hetzen gegen Spreewaldbauer / Braun statt grün Cottbus (ots) - Sorge um saubere Lebensmittel und eine intakte Natur beschäftigt viele Lausitzer. Wen wundert es da, dass auch Neonazis Öko-Themen für ihre Propaganda entdecken. Erstes Opfer in der Region ist dabei Spreewaldbauer Karl-Heinz Ricken aus Vetschau. Was da auf Flugblättern über den erfolgreichen Spargel- und Erdbeerproduzenten an braunem Unrat ausgekippt wird, ist infam. Als "Heuschrecke" wird Karl-Heinz Ricken beschimpft, der nachts heimlich Gift auf die Felder bringe und seine Saisonarbeiter unter "menschenunwürdigen Bedingungen" mehr...

  • Neue OZ: Kommentar zur Verlängerung der Abwrackprämie Osnabrück (ots) - Die Zeche wird teuer Die Besitzer alter Autos dürfen sich freuen. Der Staat vergoldet ihnen die Fahrt zum Schrottplatz weiterhin mit einer lukrativen Abwrackprämie. Das ist dem Einzelnen ebenso zu gönnen wie ein Lottogewinn. Aber im Unterschied zum Glückslos wird es bei der Abwrackprämie auch für diejenigen, die leer ausgehen, zum Schluss richtig teuer. Denn die Rechnung des Milliardenvergnügens geht an alle Steuerzahler. Und da dürfte wohl jedem eine sinnvollere Investition einfallen, als das neue Auto des Nachbarn mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht