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Berliner Morgenpost: Hände weg vom Grundgesetz - Kommentar

Geschrieben am 13-04-2009

Berlin (ots) - Das Jahr 20 nach dem Fall der Mauer reizt
offensichtlich die Politiker, sich mal wieder mit der DDR und der
deutsch-deutschen Entwicklung zu beschäftigen. Das ist grundsätzlich
sinnvoll, würde nur nicht laufend dummes Zeug geredet. Auch von
Menschen, die es besser wissen müssten. Zu Ostern hat sich der
SPD-Bundesvorsitzende Franz Müntefering in den Reigen derjenigen
eingereiht, denen es nicht um die Sache, sondern um Stimmenfang geht.
Weil das Jahr 20 nach dem Fall der Mauer eben auch ein wichtiges
Wahljahr ist - mit Europawahl, Landtags- und Kommunalwahlen und der
Bundestagswahl am 27.September.
Müntefering schlug vor, eine gesamtdeutsche Verfassung zu schaffen.
Das Verhältnis zwischen Ost und West leide darunter, weil "wir
1989/90 nicht wirklich die Wiedervereinigung organisiert haben,
sondern die DDR der Bundesrepublik zugeschlagen haben", so der
SPD-Politiker, der zu dieser Zeit Bundestagsabgeordneter und ab 1990
parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion war. Bei
den Ostdeutschen gebe es weiterhin Skepsis, weil man keine gemeinsame
Verfassung geschaffen, sondern das Grundgesetz übergestülpt habe. Das
müsse man aufarbeiten, sagte Müntefering.
Was der SPD-Mann, der heute 69 Jahre alt ist und die DDR mit all
ihrem Unrecht und Grausamkeiten sehr genau beobachtet und politisch
begleitet hat, damit meint, sagte er am Wochenende leider nicht. Was
will er in eine solche gesamtdeutsche Verfassung hineinschreiben? Den
Sozialismus? Die Einheitsschule? Die Begrenzung der Reisefreiheit?
Und was ist schlecht am Grundgesetz der Bundesrepublik?
Auch die Aussage, dass Grundgesetz sei übergestülpt worden, ist
historischer Unfug. Erinnern wir uns: Im Jahr 1989 flohen die
DDR-Bürger in Scharen über Ungarn und Tschechien in die
Bundesrepublik, nach der friedlichen Revolution konnten die
Ostdeutschen gar nicht schnell genug das bundesdeutsche System
übernehmen. Das war keine Zwangsvereinigung damals.
Populistische, zumal falsche Äußerungen schaden dem Zusammenwachsen
von Ost und West, das auch 20 Jahre nach dem Sturz des SED-Regimes
häufig noch so schwierig ist. Sozialdemokraten wie Müntefering oder
der Ministerpräsident in Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, der
jüngst erklärte, die DDR sei kein totaler Unrechtsstaat gewesen,
sondern habe auch Stärken gehabt, verfestigen die Vorurteile eher
noch. Sellering - bundesweit der wohl am wenigsten bekannte
Ministerpräsident Deutschlands - ging es um Wählerstimmen und um
seine eigene Popularität. Müntefering hat das eigentlich nicht nötig,
aber die SPD liegt in Umfragen weit hinter der CDU, da wird jede
Stimme gebraucht. Auch die der Ostdeutschen.
All den Einheits-Rednern kann eins geraten werden: Hände weg vom
Grundgesetz. Es hat sich bewährt, und es ist ein wirklich wertvolles
Gut, auf das die Deutschen - übrigens 60 Jahre nach der Gründung der
Bundesrepublik - stolz sein können. Wessis wie Ossis.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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