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Westdeutsche Zeitung: Europäisches Sozial-Ranking = Von Friedrich Roeingh

Geschrieben am 26-05-2009

Düsseldorf (ots) - Keine Woche ohne neues Deutschland-Ranking.
"Ich vergleiche mich, also bin ich", könnte man in Abwandlung von
Descartes sagen. Nun also die Vergleichsstudie zur Ausprägung
sozialer Gerechtigkeit in Europa. Auch ihr Erkenntnisgewinn ist nur
begrenzt. All diese Erhebungen verleiten schließlich zu der irrigen
Annahme, wir könnten (oder wollten) überall die gleichen
Lebensverhältnisse schaffen. Diese Haltung ignoriert historische,
geografische und kulturelle Unterschiede, die kein
Sozialwissenschaftler oder Politiker aufheben kann.
Beispiel Großbritannien: Dass ein Land, in dem die Freiheit in allen
Lebensbereichen einen größeren Stellenwert als die Sicherheit
genießt, ein höheres Armutsrisiko aufweist, versteht sich von selbst.
Deshalb gelten die Briten, die unter der aktuellen
Weltwirtschaftskrise deutlich stärker leiden als wir, als nicht
weniger zufrieden oder zuversichtlich als die Deutschen. Die
britischen Verhältnisse taugen allerdings ebenso wenig als Blaupause
für den Abbau von Sozialleistungen.
Genauso untauglich ist der Vergleich mit Skandinavien: Deutschland
ist eine klassische Industrienation, die mehrere Wellen eines
schmerzhaften Strukturwandels hinter sich gebracht hat. Deutschland
hat einen hohen bildungsfernen Migrantenanteil, und in Deutschland
leben große Teile der Bevölkerung in städtischen Ballungsräumen. Wer
dagegen das Münsterland, den Raum Heilbronn oder das Alpenvorland mit
den Verhältnissen in Schweden vergleicht, wird zu ähnlichen
Ergebnissen kommen.
Bleibt die Erkenntnis, dass Deutschland auf eine bedrohliche
Generationen-Ungerechtigkeit zusteuert, weil immer weniger Junge für
immer mehr Ältere aufkommen müssen, die ihnen immer höhere Schulden
hinterlassen. Und die Erkenntnis, dass die Schulleistungen nirgendwo
in Europa so eng mit dem sozialen Status der Eltern verknüpft sind.
Auch dieser Befund ist alles andere als neu - und gerade deshalb
skandalös. Wir investieren schlicht einen zu geringen Anteil unserer
Wirtschaftsleistung in Bildung. Rankings zu erstellen und erregte
Bildungsdebatten zu führen, kostet kein Geld. Bessere frühkindliche
Förderung und die überfällige Umstellung auf ein flächendeckendes
Ganztagsschulsystem schon.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/62556
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_62556.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Zeitung
Nachrichtenredaktion
Telefon: 0211/ 8382-2358
redaktion.nachrichten@westdeutsche-zeitung.de


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