Deutsche Autobauer brechen ihr Wort: Keine klimaverträglichen Pkw-Klimaanlagen ab 2011
Geschrieben am 29-05-2009 |
Berlin (ots) -
- Querverweis: Ein Dokument liegt in der digitalen Pressemappe zum Download vor und ist unter http://www.presseportal.de/dokumente abrufbar -
Klammheimlich haben die Autohersteller die Entwicklung von Pkw-Klimaanlagen mit natürlichem Kältemittel eingestellt - VDA-Präsident Matthias Wissmann verabschiedet sich von unmissverständlicher Zusage - Europäischer Autoherstellerverband ACEA will zwingende EU-Richtlinie nicht einhalten - Deutsche Umwelthilfe legt "Chronologie eines Wortbruchs" vor und fordert von EU-Kommission und Bundesregierung Zulassungsverbot für neue Pkw-Modelle mit klimaschädlichen Klimaanlagen ab 2011 - Öffentliche Pkw-Flotten nur noch von Herstellern ordern, die Richtlinie fristgerecht erfüllen
Entgegen den mehrfach wiederholten Zusagen ihres Verbandspräsidenten Matthias Wissmann wird die deutsche Automobilindustrie zum 1. Januar 2011 neue Pkw-Modelle nicht mit Klimaanlagen auf Basis natürlicher Kältemittel ausliefern. Sie verstößt damit eindeutig gegen den Sinn und Wortlaut einer EU-Richtlinie, die ab diesem Stichtag für neue Fahrzeugtypen weniger Klima schädigende Kältemittel als den bisher verwendeten Fluorchlorkohlenwasserstoff R134a zwingend vorschreibt.
Anhand einer detaillierten Chronologie zeichnete die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) heute vor Journalisten in Berlin nach, wie die deutschen Autohersteller seit mindestens sechs Jahren den Umstieg von R134a auf das ökologisch unbedenkliche, natürliche Kältemittel Kohlendioxid (CO2, Fachbezeichnung in diesem Zusammenhang: R744) beschworen, dann anlässlich der IAA 2007 in Frankfurt am Main einen eindeutigen Verbandsbeschluss des VDA zur Einführung von R744 verkündeten, in der Folge auch auf Basis dieses Versprechens erfolgreich die geplanten CO2-Grenzwerte für Pkw auf EU-Ebene entschärften, um sich schließlich von der Zusage einer fristgerechten Einführung klimaschonender Kältemittel wieder zu verabschieden. Aktueller Höhepunkt dieses Wortbruchs ist ein Positionspapier der europäischen Herstellervereinigung ACEA, von Mitte Mai 2009, in dem diese behauptet wurde, die termingerechte Einhaltung der EU-Richtlinie sei nicht mehr zu schaffen.
Schuld sei eine Uminterpretation der Vorschrift durch die Kommission. Die hatte kürzlich nochmals ausdrücklich erklärt, dass der Stichtag 1. Januar 2011 verbindlich sei und wie auch immer begründete Verzögerungen bei der Einführung der klimaschonenden Technik eine Verletzung der Richtlinie bedeuten würden. Wie bereits bei der Vereinbarung über die EU-Klimaschutzziele für 2008 spielen die europäischen Autobauer bei den Autoklimaanlagen erneut kurz vor Ablauf der Frist auf Zeit und verlangen einen Aufschub um zwei bis drei Jahre über den Januar 2011 hinaus, um sich der geänderten Situation anpassen zu können.
"Nach dem von der Bundesregierung gewährten warmen Milliardenregen an Steuererleichterungen und Verkaufsfördermaßnahmen bedankt sich die Branche auf ihre Weise: Die deutschen Autohersteller haben klammheimlich die fest zugesagte Entwicklung von Pkw-Klimaanlagen mit natürlichen und Klima verträglichen Kältemitteln eingestellt und sind fest entschlossen das klimaschädliche Kältemittel R 134a über das Jahr 2010 hinaus einzusetzen. Mit jedem Jahr Verzögerung der anfangs etwa fünfzig Euro teureren Technologie wird die Atmosphäre mit mehreren Millionen Tonnen CO2-Äquivalent zusätzlich belastet", sagte DUH-Bundesge¬schäfts¬führer Jürgen Resch in Berlin. VDA-Präsident Matthias Wissmann habe im Herbst 2007 zur Eröffnung der so genannten "Grünen Automobilausstellung IAA" erklärt, die deutschen Hersteller hätten sich in einer Entscheidung der Vorstandsvorsitzenden darauf verständigt, in Zukunft "nur noch natürliche Kältemittel einzusetzen, die für die Umwelt die geringste Belastung bedeuten und alle künftigen europäischen Grenzwerte deutlich unterbieten". Danach jedoch sei faktisch nichts geschehen. Zulieferer, die insbesondere in Deutschland die neuen Auto-Klimaanlagen auf CO2-Basis mit teilweise hohem finanziellem Aufwand bis zur Marktreife entwickelt haben, würden nun über Jahre hingehalten. Bisher gebe es keinen einzigen Auftrag, der eine Serienfertigung rechtfertigen würde. Die wenigen Entwicklungsaufträge deutscher Autobauer wurden in diesem Frühjahr nach Recherchen der DUH allesamt gestoppt.
Resch erinnerte daran, dass die deutschen Hersteller schon bei der Einführung der Diesel-Partikelfilter und zuletzt bei der Entwicklung von Hybrid-Pkw der internationalen Entwicklung hinterhergelaufen seien. Die deutschen Autobauer kassierten regelmäßig Milliarden Euro Forschungsförderung für Umwelttechnologie, überließen aber die Markteinführung immer häufiger ausländischen Herstellern. Nicht zufällig profitierten von der an keinerlei Umweltauflagen gekoppelten Abwrackprämie ausländische Hersteller überproportional. Resch: "Bei den Kältemitteln für Autoklimaanlagen gab es und gibt es noch die Chance erstmals wieder Systemführerschaft bei einer Umwelttechnologie zu erreichen und einen Teil der verloren gegangenen Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen".
Die Projektleiterin der DUH, Eva Lauer, erinnerte daran, dass die Autohersteller mindestens ein Jahr dadurch verloren hätten, dass sie noch nach der angeblich endgültigen Entscheidung für das natürliche Kältemittel CO2, weiter an chemischen Kältemitteln auf Basis einer neuen Generation von Fluorkohlenwasserstoffen (FKW) weitergeforscht hätten. Diese Kältemittel hatten die Chemieriesen Honeywell und Dupont hastig als Alternative zu R134a angeboten, als sie fürchten mussten, dass ihnen das automobile Kältemittelgeschäft mit der Einführung von CO2 in Deutschland und Europa weltweit wegbrechen würde. Inzwischen habe sich herausgestellt, dass insbesondere der mit hoher Intensität von der Chemieindustrie an die Autohersteller herangetragene Chemiecocktail R1234yf brennbar ist und sich dabei hochtoxischer Fluorwasserstoff (HF) bildet. Die Deutsche Umwelthilfe hatte entsprechende Unfallabläufe simulieren lassen und dokumentiert (siehe Video unter www.duh.de). "Wir sind sicher, dass die zwischenzeitlich untersuchte chemische Alternative R1234yf endgültig vom Tisch ist. Kein Verbraucher will in einem Auto mit einem solch gefährlichen Kältemittel sitzen. Aber wir sehen auf der anderen Seite auch nirgends eine Entwicklung, die darauf hindeutet, dass sich ein großer Hersteller zur Serienfertigung auf Basis natürlicher Kältemittel entschlossen hat", sagte Frau Lauer. Angesichts der verheerenden Folgen der Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) und des Fluorkohlenwasserstoffs R134a sei es "vollkommen unverständlich, wenn nun noch einmal eine neue chemische Verbindung weltweit in Autoklimaanlagen eingesetzt werden soll, obwohl die natürliche Alternative seit Jahren anwendungsreif bereitsteht. Wir haben eine gute Alternative und es gibt keinen vernünftigen Grund, sie nicht anzuwenden."
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch forderte Bundesregierung sowie EU-Kommission auf, den Pkw-Herstellern unmissverständlich klarzumachen, dass ab dem 1. Januar 2011 neue Pkw-Modelle mit alten, klimaschädlichen Klimaanlagen nicht mehr zugelassen werden. "Das Maß ist voll. Die Autobauer setzten auf der einen Seite unter Hinweis auf die Mehrkosten für so genannte "Eco Innovations" wie die neue Klimatechnik eine Aufweichung der CO2-Grenzwerte auf EU-Ebene durch. Und nun verstecken sich Daimler, BMW oder VW-Porsche hinter den amerikanischen und asiatischen Autobauern indem sie ankündigen, der Umstieg auf die neue umweltfreundliche Klimatechnik nur dann vorantreiben zu wollen, wenn alle Autohersteller sich darauf verständigen. Bei keiner Technologieeinführung hat dieses Rezept bisher funktioniert. Immer sind einzelne mit innovativer Technologie vorangegangen. Daher besteht die DUH auch auf die Einhaltung des gegebenen Wortes der deutschen Automobilunternehmen durch ihren Verbandspräsidenten Matthias Wissmann, ab 2011 nur mehr natürliche Kältemittel in Neufahrzeugen zu verwenden.", erklärte Resch.
Die Zulassungsbehörden müssten angewiesen werden, ab dem 1. Januar 2011 Neufahrzeugen mit der klimaschädlichen Kältetechnik die Straßenverkehrszulassung zu verweigern, forderte Resch. Darüber hinaus sollten alle öffentlichen Einrichtungen darauf verpflichtet werden, ab diesem Stichtag für öffentliche Fuhrparks nur solche Autohersteller zum Zuge kommen zu lassen, die die EU-Richtlinie fristgerecht erfüllen.
Anhang: DUH-Hintergrund - Chronologie Automobilklimaanlagen
Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V. Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2
Pressekontakt: Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170, Fax.: 030 2400867-19, E-Mail: resch@duh.de
Eva Lauer, Projektleiterin "Klimafreundliche Kühlung", DUH, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-76, E-Mail: lauer@duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik & Presse, Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171 5660577, Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz@duh.de
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