(Registrieren)

Umweltjuristen warnen vor Aushöhlung des Umwelt- und Naturschutzrechts

Geschrieben am 29-05-2009

Berlin (ots) - Gemeinsame Pressemitteilung

Öko-Institut, Deutsche Umwelthilfe und das Unabhängige Institut
für Umweltfragen fordern den Bundestag auf, die Änderungen des
Bundesrats zu den Umwelt- und Naturschutzgesetzen abzulehnen

Vor einer weiteren Aushöhlung des Umwelt- und Naturschutzrechts
haben heute Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), das Öko-Institut und das
Unabhängige Institut für Umweltfragen (Ufu) gewarnt. Sie fürchten,
dass die Bundesländer über den Bundesrat die bestehenden Umwelt- und
Naturschutzgesetze bis zur Bedeutungslosigkeit verwässern und
bewährte Standards im Umwelt- und Naturschutz abschaffen. Die
Umweltjuristen von DUH, Öko-Institut und Ufu fordern die
Bundestagsabgeordneten auf, zahlreiche Änderungsvorschläge des
Bundesrats zu den geplanten Novellen der Umwelt- und
Naturschutzgesetze abzulehnen.

Die Bundesregierung ist vor drei Jahren mit dem Ziel angetreten,
ein Umweltgesetzbuch (UGB) ohne Standardabbau zu schaffen. "Es reicht
offenbar nicht, dass das UGB gescheitert ist, nun versuchen die
Länder auch noch das bestehende Umweltrecht Stück für Stück
auszuhöhlen", sagte Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin der Abteilung
Recht bei der Deutschen Umwelthilfe e.V. Nicklas und ihre Kollegen
von Öko-Institut und Ufu befürchten, dass dies hinter verschlossenen
Türen zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat geschieht.
Denn der Bund steht unter enormen Zeitdruck, um die Einzelgesetze
noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden.

Die Umweltjuristen von Öko-Institut, Ufu und DUH haben den
Abgeordneten aller Fraktionen heute eine Stellungnahme zu den
Änderungsvorschlägen des Bundesrats zugeschickt. Sie lehnen darin die
massivsten Änderungsvorschläge zum Bundes-Immissionsschutzgesetz, zur
Umweltverträglichkeitsprüfung und zur sogenannten Eingriffsregelung
ab. "Wirtschaftliche Interessen werden über den Gesundheitsschutz
gestellt, wenn sich die Länder durchsetzen", sagte Andreas Hermann,
stellvertretender Leiter des Forschungsbereichs Umweltrecht und
Governance des Öko-Instituts. Die Länder wollen im
Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) die Befugnisse der Behörden
für die Genehmigung von Anlagenerweiterungen und Neubauten in
Belastungsgebieten beschneiden, so dass die Schwellen für den
Gesundheitsschutz gesenkt werden. Bei Umweltverträglichkeitsprüfungen
solle die bislang vorgeschriebene Beteiligung der Öffentlichkeit
wegfallen. Raumordnungsverfahren sollen ebenfalls ohne Prüfung der
Umweltauswirkungen durchgeführt werden. "Durch die Änderungsanträge
würde die Umweltverträglichkeitsprüfung ihrer Substanz weiter
beraubt", sagte Hendrik Acker vom Öko-Institut. Bürger und Behörden
könnten dann die entscheidenden Konflikte nicht mehr lösen, obwohl
deren Lösung für ein friedliches Miteinander von Unternehmen und
Gesellschaft in sensiblen Gebieten notwendig sei.

Wenn der Bundesrat sich durchsetzt, beschleunigt sich die
Zerstörung von Biotopen und das Artensterben. Geht es nach den
Vorschlägen der Länder, wird die bewährte Eingriffsregelung
ausgehöhlt. Sie fordern nämlich, dass Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen
innerhalb der sogenannten Realkompensation gleichgestellt werden. Das
bedeutet: Naturzerstörung für den Bau von Straßen und Anlagen kann
mit andersartigen Neupflanzungen abgegolten werden. Nach geltendem
Recht hat der Ausgleich Vorrang vor dem Ersatz. Das hat auch seine
Berechtigung. Ausgleich bedeutet nämlich gleichartige Kompensation
(Biotop wird durch ebensolches Biotop an anderer Stelle
ausgeglichen), Ersatz bedeutet lediglich gleichwertige Kompensation
(Biotop wird nicht durch Biotop, sondern etwas anderes ersetzt).
Somit würde eine gleichartige Kompensation gefährdet und für die
Biodiversität notwendige Lebensräume gingen verloren.
Die Bundesländer erleichtern durch die Hintertür zudem den Einstieg
in die Ersatzzahlung. Ersatzzahlungen sollen zukünftig
"ausnahmsweise" anstelle der vorrangigen Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen dann verlangt werden können, "wenn mittels der
Ersatzzahlung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege
besser verwirklicht werden können". Das Ganze soll der
"Flexibilisierung" der Eingriffsregelung dienen. "Eine
Flexibilisierung ist aus unserer Sicht nicht erforderlich, da das
Verfahren seit Jahren etabliert ist und die auftretenden Probleme in
der Praxis lösbar sind", sagte Nicklas.

Michael Zschiesche, Umweltjurist des Ufu, warnte davor, den
Mindeststandard eines Gewässerrandstreifens auszuhebeln. Ein
Randstreifen sei für den Naturschutz von elementarer Funktion. Das
Umweltforschungszentrum Leipzig empfiehlt einen Abstand von zehn
Metern zwischen Gewässer und Ufernutzung. "Schon der
Regierungsvorschlag von nur fünf Metern ist aus naturschutzfachlicher
Sicht kaum zu rechtfertigen, ihn abzuschaffen beschleunigt den
Artentod", sagte Zschiesche.

Hintergrund
Nach dem Scheitern des Umweltgesetzbuches (UGB) haben sich die
Bundesregierung und die Regierungsfraktionen entschieden, Teile des
UGB als einzelne Gesetze auf den Weg zu bringen. Darunter fallen
Regelungen zum Wasser- und Naturschutzrecht, zum Strahlenschutzrecht
sowie Regelungen aus dem Einführungsgesetz zum UGB. DUH, Öko-Institut
und Ufu begrüßen grundsätzlich die Verabschiedung dieser
Einzelgesetze, um die Risiken einer Rechtszersplitterung bzw.
Rechtsunsicherheiten durch abweichendes Länderrecht zu vermeiden. Die
Föderalismusreform von 2006 hatte festgelegt, dass bis zum 31.12.2009
der Bund Naturschutz- und Wasserrechte regeln kann, von denen die
Bundesländer dann nicht mehr abweichen dürfen. Verstreicht die Frist,
können ab dem 1. Januar 2010 die 16 Bundesländer den Natur- und
Artenschutz und das Wasserrecht in eigener Verantwortung regeln - das
Recht würde völlig zersplittern.

Zu den Gesetzesvorschlägen der Bundesregierung hat der Bundesrat
am 15.5.2009 Änderungen beschlossen. Darin enthalten sind
Änderungsvorschläge, die darauf angelegt sind, den seit einigen
Jahren stattfindenden Abbau von Umweltstandards fortzuführen bzw. die
Ergebnisse der Föderalismusreform abzuschwächen. Es ist zu
befürchten, dass nach dem Scheitern des UGB der zeitliche Druck bei
der Verabschiedung der Einzelgesetze noch in dieser Legislaturperiode
von den Ländern genutzt wird, um die vorgenannten Ziele
durchzusetzen.

Das Öko-Institut, die Deutsche Umwelthilfe und das Unabhängige
Institut für Umweltfragen begründen in dem heute an die
Bundestagsabgeordneten verschickten Positionspapier warum die
Vorschläge des Bundesrats strikt abzulehnen sind. Sie begründen ihre
Ablehnung vor allem mit einem transparenten und vollzugsfreundlichen
Umweltrecht sowie der Beibehaltung des derzeitigen Schutz- und
Anforderungsniveaus des Umweltrechts. Die Ausführungen der
Umweltjuristen beschränken sich auf die Beschlüsse des Bundesrates
vom 15.05.2009. Ihre darüber hinausgehenden Vorschläge für eine
progressivere Ausgestaltung der genannten Gesetze vom 17.03.2009
bleiben hiervon unberührt und haben vollumfänglich weiterhin Bestand
(Download unter: www.umweltgesetzbuch.org).

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Dr. Cornelia Nicklas, Leiterin Recht, Deutsche Umwelthilfe e. V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 2400867-18; 0162 - 63 44
657, nicklas@duh.de

Andreas Hermann, LL.M., stellvertretender Leiter des
Forschungsbereich Umweltrecht & Governance, Öko-Institut e. V. - Büro
Darmstadt, Rheinstraße 95, 64295 Darmstadt, Tel.: 06151 8191-28, Fax:
06151 8191-33, a.hermann@oeko.de

Michael Zschiesche, Geschäftsführer Unabhängiges Institut für
Umweltfragen e. V., Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Tel.: 030
4284993-31, Fax: 030 428004-85, recht@ufu.de

Ulrike Fokken , Sprecherin Politik & Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V., Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Tel.: 030 24 00 867-86, 0151
- 55 01 70 09, fokken@duh.de


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

206178

weitere Artikel:
  • Singhammer/Fischbach/Noll: Kinderschutz wichtiger als Parteipolitik Berlin (ots) - Anlässlich der Verweigerungshaltung der SPD in der Familienpolitik erklären der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Johannes Singhammer MdB und die zuständigen Berichterstatterinnen, Ingrid Fischbach MdB und Michaela Noll MdB: Wenn die SPD den Kinderschutz und die politischen Beschlüsse ihrer Ministerpräsidenten ernsthaft vorantreiben will, muss sie sich beim Kinderschutzgesetz kooperativ zeigen. Der Gesetzentwurf enthält unverzichtbare Aspekte für den Kinderschutz. Selbstverständlich können mehr...

  • Koalitionsarbeitsgruppe "Managergehälter" klärt letzte Details Berlin (ots) - Zur heutigen Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe "Managergehälter" erklären die beiden Vorsitzenden, der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Bosbach MdB und der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß MdB: Die von uns geleitete Arbeitsgruppe ist heute zur Auswertung der Experten-Anhörung im Rechtsausschuss vom vergangenen Montag zusammengekommen. Die Sachverständigen hatten ganz überwiegend die von der Koalition vorgesehenen Neuregelungen im Gesetz zur mehr...

  • Bleser/Mortler: Milch zu wertvoll zum Verramschen Berlin (ots) - Zum Internationalen Tag der Milch am 1. Juni 2009 erklären der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Bleser MdB und die zuständige Berichterstatterin, Marlene Mortler MdB: Milch ist ein für die menschliche Ernährung zu wertvolles Lebensmittel, um sie als billige Ramschware im Preiskampf des Lebensmittelhandels zu missbrauchen. Vielen Verbrauchern ist heute nicht mehr bewusst, wie viel Arbeit und welche Kosten hinter der Produktion eines Liter Milch stecken. Die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag mehr...

  • Norman Paech: Israel muss Siedlungsbau stoppen Berlin (ots) - "Die wiederholte Forderung Obamas an Israel, alle Siedlungstätigkeiten einzustellen, setzt an der richtigen Stelle an, denn das Festhalten der israelischen Regierung an weiteren Siedlungsaktivitäten auf palästinensischem Boden ist eines der Haupthindernisse für den Friedensprozess in Nahost", kommentiert Norman Paech die im Rahmen eines Treffens mit Palästinenserpräsident Abbas geführten Friedensgespräche. Der außenpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE weiter: "Abbas hat ein Angebot zu dem Gespräch mit Obama mitgebracht. mehr...

  • Fischbach: SPD verhindert Kinderschutz und Förderung von Familien Berlin (ots) - Die SPD-Fraktion hat angekündigt, Teil-Elterngeld und Kinderschutzgesetz zu stoppen. Dazu erklärt die Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach MdB: Konstruktive Zusammenarbeit zum Wohle von Familien und Kindern interessiert die SPD nicht mehr. Statt zum Wohle der Familien und der Kinder gemeinsame Beschlüsse umzusetzen, setzt die SPD lieber auf Wahlkampf und blockiert wichtige Vorhaben wie das Kinderschutzgesetz und das Teil-Elterngeld. Das Kinderschutzgesetz soll dafür sorgen, mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht