(Registrieren)

Neues Deutschland: Zum Fall Kurras

Geschrieben am 01-06-2009

Berlin (ots) - Durch die Medien wogt derzeit eine Flut von
Bekennerschreiben. Autoren im Alter von 55+ bekennen ihren Irrtum.
Harald Martenstein, edelfedernder Kolumnist des »Tagesspiegel«, teilt
mit, er habe »ungefähr der gleichen Partei angehört« wie Kurras. Er
sei Mitglied der DKP gewesen. »Wie politischer Irrtum sich anfühlt,
weiß ich also recht gut«. Götz Aly, der im letzten Jahr mit seinem
Buch »Unser Kampf 1968« irritierte, in dem er Analogien zwischen der
Studentenbewegung und der »Generation von 1933« zog, lässt in der
»Zeit« wissen, er habe der »Roten Hilfe« angehört. Er vergleicht sich
mit anderen, die »in das Freund-Feind-Denken gebannt« gewesen seien,
und resümiert, sie alle hätten »unterschiedlich lang (gebraucht), um
sich von diesem Bann zu befreien«. Thomas Schmid, Chefredakteur der
»Welt«, der die Hetze der Springerpresse gegen die Studentenbewegung
nun in Schönschrift umzurubbeln versucht, räumt ein, auch er habe zu
den »alten Kämpen« gehört, ohne seine Putztruppe »Revolutionärer
Kampf« namentlich zu nennen. Gerd Koenen, Historiker, bekennt
ebenfalls eher vage: Der Fall Kurras »betrifft mich persönlich als
einen unter vielen Tausend jungen Leuten«, die durch den 2. Juni 1967
die »restaurativen Tendenzen« in der westdeutschen Nachkriegsrepublik
bestätigt gesehen hätten. Wäre damals bekannt geworden, dass Kurras
Stasi-Agent und SED-Mann war, »wäre das (vielleicht) eine heilsame
Verunsicherung gewesen, für mich wie für viele andere«. Koenen wurde,
dies sei hier präzisiert, später einer der Chefs des KBW, einer
Gruppe, die mit Pol Pot sympathisierte, sich aber nie einer auch nur
klammheimlichen Freude über die Existenz der DDR verdächtig machte.
Auch Tissy Bruns, ex-Chefin der Bundespressekonferenz, bekannte schon
vor einiger Zeit, sie habe ihren Traum von einer besseren Welt »als
junge Erwachsene an den kommunistischen Irrweg verraten«, sie war
Funktionärin des MSB und saß im Vorzimmer des DKP-Vorstands. Ach, man
mag den Reumütigen ja gar nicht widersprechen. Es war wohl wirklich
ihr Irrtum, der DKP, dem MSB, dem KBW, der Roten Hilfe, dem
Revolutionären Kampf oder manch anderer Organisation angehört zu
haben. Doch soll, da es ohne solches kaum noch geht, gerne angefügt
werden: Ich war beim Kommunistischen Bund (KB), das war kein Irrtum.
 Das Irrtum-Outing ist der Kotau vor den restaurativen
Sichtweisen, die längst die Definitionshoheit auch über die wenigen
Unangepasstheiten der westdeutschen Geschichte erobert haben. Da
lesen wir nun, der Fall Kurras werfe »einen Schatten auf die
westdeutsche Studentenbewegung« (Bernd Ulrich in der »Zeit«). Sack
und Asche werden zum modernen Anzug. Haben denn alle einen Schatten
davongetragen? Was für eine groteske Wahrnehmung! Der Schatten liegt
auf den Herren, denen Kurras im Westen wie im Osten gedient hat. Die
Revolte - in Berlin, Prag, Paris und anderswo - galt allen
Schattenreichen. Ist das komplett vergessen?

Originaltext: Neues Deutschland
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59019
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59019.rss2

Pressekontakt:
Neues Deutschland
Redaktion

Telefon: 030/2978-1715


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

206453

weitere Artikel:
  • Mindener Tageblatt: Kommentar zu Opel/Arcandor/Staatshilfen Retten jetzt, zahlen später Minden (ots) - Von Christoph Pepper Ist, was Opel Recht war, Karstadt billig? Nach der Wahlkampflogik der großen Retter-Koalition kann die Antwort eigentlich nur ein glasklares Ja sein. Zwar kann der infolge eigenen Unvermögens ins Wanken geratene Kaufhaus-Konzern Arcandor den Handel mit - zum Beispiel - asiatischer Importware schlecht als schutzwürdige industrielle Schlüsselkompetenz verkaufen. Aber dafür wirft er jede Menge Arbeitsplätze in die Waagschale, im direkten Vergleich sogar mehr als der Autobauer. Prompt wird wohlwollende Prüfung mehr...

  • Der Tagesspiegel: Austrittswelle bei der Linkspartei geht weiter / Sächsischer Landtagsabgeordneter Weckesser: "Die Partei ist auf dem Weg zur Sekte" Berlin (ots) - Berlin - Die Welle prominenter Austritte aus der Linkspartei reißt nicht ab. Nachdem in den vergangenen Wochen der Berliner Abgeordnete Carl Wechselberg und die EU-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann ihrer Partei den Rücken gekehrt haben, kündigte nun auch der sächsische Landtagsabgeordnete Ronald Weckesser den Austritt aus der Linkspartei an. "Die PDS war schon mal eine Volkspartei, heute ist die Linke auf dem Weg zu einer Sekte", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel" (Dientagsausgabe). Am heutigen Dienstag will Weckesser mehr...

  • WAZ: Unions-Fraktionschef Kauder fragt Birthler-Behörde nach Zusammenhang Stasi / 68er-Proteste Essen (ots) - Die Birthler-Behörde muss nach den Worten von CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder prüfen, ob die Stasi `die 68er Proteste gesteuert" hat. In einem Gespräch mit der WAZ-Gruppe (Dienstagausgabe) kündigte Kauder ein Treffen mit Behördenleiterin Marianne Birthler an. Er wolle mit ihr auch über den Vorwurf reden, dass Mitarbeiter der Birthler-Behörde befangen sein könnten: `Werden da Schleusen geöffnet oder eher dicht gehalten?", sagte Kauder. Es sei auch verdächtig, wie ruhig die Linkspartei sei. `Sie hören nichts mehr...

  • Neues Deutschland: Zu Opel Berlin (ots) - Eigentlich könnte die Koalition das Zustandekommen eines Last-Minute-Rettungskonzeptes für Opel als Erfolg feiern. Gewerkschaft und Mitarbeiter samt Familien sind erleichtert, viel zitierte »Auto-Analysten« klatschen Beifall. Auch wenn die herrschende Politik Übung in billiger Selbstgefälligkeit hat - diesmal greift man nicht darauf zurück. Nicht etwa, weil man selbst gar nicht das Heft des Handelns in der Hand hielt und weil wichtige Details des Magna-/Sberbank-Einstiegs noch völlig ungeklärt sind. Nein, in Wahlkampfzeiten mehr...

  • Der Tagesspiegel: Inlandspresse/Koalition Der Tagesspiegel kommentiert den Streit um Wirtschaftsminister Guttenberg: Berlin (ots) - Die Verlockung für die SPD ist riesengroß, und natürlich hat ein politisches Trüffelschwein wie Gerhard Schröder die Witterung sofort aufgenommen. Einen "Baron aus Bayern" nennt er Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg - wohl kalkulierend, dass jeder versteht, was damit gemeint ist: Genau wie 2005. Da tauchte im Wahlkampfteam der CDU-Chefin ein Steuerexperte namens Paul Kirchhof auf und tapste wochenlang mit ungeheuren Steuersenkungsprogrammen durch die Szenerie. Wiederholt sich nun diese Geschichte? Die Sozialdemokraten mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht