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Börsen-Zeitung: Piëch-king, Kommentar zum Kompromiss zwischen VW und Porsche von Claus Döring

Geschrieben am 23-07-2009

Frankfurt (ots) - Wendelin Wiedeking verlässt erhobenen Hauptes
die Arena. Der Aufsichtsrat ist seinem Vorschlag gefolgt, mit einer
Kapitalerhöhung um mindestens 5 Mrd. Euro den Sportwagenhersteller
aus der finanziellen Notlage zu befreien. Selbst wenn die
Porsche-Familienaktionäre kein frisches Geld, sondern ihre Salzburger
Autohandelsholding als Sacheinlage einbringen sollten, wird der
Beitrag der Vorzugsaktionäre von wenigstens 2,5 Mrd. Euro ausreichen,
um die weiteren Verhandlungen mit VW zum integrierten Autokonzern
nicht mit dem Messer an der Kehle führen zu müssen. Wie stichhaltig
die Jokerkarte Katar wirklich ist, die der Porsche-Chef Wiedeking
immer nur unter dem Ärmel hervorblitzen, aber nie wirklich sehen
ließ, bleibt auch nach der Aufsichtsratssitzung offen. Denn den
Einstieg der Scheichs darf nun ein Vorstand "endverhandeln", dem
Wiedeking und sein kongenialer Finanzvorstand Holger Härter nicht
mehr angehören.

Noble Gesten

Selbst wenn in der Fusionsfrage am Ende ein Kompromiss zwischen
den Porsche- und den VW-Vorstellungen steht, war auch für Wiedeking
längst klar, dass er persönlich im integrierten VW-Porsche-Konzern
keine Zukunft mehr haben würde. Zu unterschiedlich die
Führungskulturen, zu tief die gegenseitigen Verletzungen nach drei
Jahren Machtkampf. Und als Befehlsempfänger von VW-Konzernchef Martin
Winterkorn konnte man sich ihn sowieso nicht vorstellen.

Dass der Aufsichtsrat Wiedeking mit 50 Mill. Euro verabschiedet,
ist deshalb eine noble Geste. Das operative Geschäft allein
rechtfertigt eine solche Summe nicht. Doch haben Wiedeking und Härter
mit den ach so gescholtenen Spekulationsgeschäften den
Familienaktionären neben einer milliardenschweren Wertsteigerung
überhaupt erst die Option verschafft, demnächst als Großaktionäre bei
VW ans Lenkrad greifen zu können. Allein der variable Gehaltsanspruch
für das in einer Woche zu Ende gehende Porsche-Geschäftsjahr könnte
dem Golden Handshake entsprechen. Damit die deutsche Gesellschaft die
hohe Abfindung für Wiedeking "verkraftet", gibt der Entlassene die
Hälfte in eine gemeinnützige Stiftung. Auch eine noble Geste.

Porsche ohne Turbo

Ohne die Persönlichkeit Wiedeking ist Porsche allerdings nicht
mehr das, was es die zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnte war und
wurde, und zwar unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen
Konstruktion und der Betonung der Unabhängigkeit Porsches. Die
Zuffenhausener Sportwagenschmiede ohne Wiedeking ist wie ein Porsche
ohne Turbo. Kein anderer Manager konnte die Extravaganz der Marke so
verkörpern wie er. Porsche-Käufer zahlen nicht nur für technologische
Exzellenz, sie zahlen vor allem für Emotion. In diese Welt passen
deshalb weder "Stütze" noch Massenhersteller, selbst wenn Porsche
viele Teile von VW bezieht.

Wie einst Jaguar?

Nun wird Porsche zur zehnten Marke im VW-Konzern und darf sich
künftig mit Audi, Seat, Skoda & Co. am Futtertrog der Konzernfinanzen
drängeln. Es ist nicht zu erwarten, dass Volkswagen die effizienten
Strukturen aus Zuffenhausen übernimmt, sondern zu befürchten, dass
umgekehrt Porsche nach und nach vom VW-Virus befallen wird. Denn
Rentabilität ist in Wolfsburg dank der Gegenregierung der
Betriebsräte lange Zeit ein Fremdwort gewesen. Was passieren kann,
wenn ein Massenhersteller einen Luxus-Sportwagenbauer unter seine
Fittiche nimmt, war am Beispiel Ford und Jaguar zu beobachten. Es
endete mit dem Verkauf Jaguars nach Indien an Tata.

Intrigantenstadl

Bangen muss man aber nicht nur um die Zukunft von Porsche, sondern
mehr noch um die von Volkswagen. Ein österreichischer
Intrigantenstadl beherrscht demnächst Deutschlands nach Umsatz und
Börsenwert größten Industriekonzern. Über Ferdinand Piëchs
Führungskultur konnte man sich schon ein Bild machen, als er noch
Vorstands- und dann Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen wurde.
Wer ihm nicht ergeben folgte, wurde gefeuert. Dabei lässt sich nicht
behaupten, dass Volkswagen unter Piëchs Führung, also in den Jahren
1993 bis 2002, besonders vorangebracht worden wäre. Erst nachdem er
ausschied, lief es besser. Und die entscheidenden Weichenstellungen
(Audi, China, Seat, Skoda), denen VW heute seine Bedeutung verdankt,
waren unter Piëchs Vorgänger Carl H. Hahn erfolgt. Nicht
unternehmerische Großtaten sind aus der Piëch-Ära in bleibender
Erinnerung, sondern Lopez-Affäre, Spaltmaß-Fetischismus und
Betriebsrat-Lustreisen.

Piëch, der sich bisher schon als heimlicher Herrscher des
Volkswagen-Reiches gefühlt hat, wird nun VW-Großaktionär, ja de facto
Mehrheitsaktionär. Denn dass er den auf den Namen Porsche lautenden
Teil des Familienclans bei Bedarf aussticht, hat er gerade erst
bewiesen. Für seine Vision von der Nummer 1 der weltweiten
Autoindustrie wird er sich nicht mehr mit "Spielzeugen" wie Phaeton
und Bugatti begnügen. Für die freien VW-Aktionäre beginnt ein
Abenteuer.

Originaltext: Börsen-Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30377
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30377.rss2

Pressekontakt:
Börsen-Zeitung
Redaktion
Weitere Informationen: www.boersen-zeitung.de
Telefon: 069--2732-0


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