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Berliner Morgenpost: Das Ende der Langeweile - Leitartikel

Geschrieben am 30-08-2009

Berlin (ots) - Die Symbolsprache ist eindeutig: Gibt es Erfolge zu
vermelden, tritt die Chefin persönlich auf die Bühne. Niederlagen
dagegen muss Pofalla verkaufen. Gestern Abend hatte der CDU-General
eine ganze Menge zu tun: Zwei absolute Mehrheiten sind der
Kanzlerinnenpartei abhanden gekommen, mindestens ein
Ministerpräsident, dazu wichtige Rathäuser in NRW. Vier Wochen vor
der geplanten Wiederwahl hat die siegesgewisse Union einen Dämpfer
bekommen.
War dieser kleine Superwahlsonntag, bei dem immerhin ein Drittel der
deutschen Wahlberechtigten zur Urne gerufen war, aber nun ein
eindeutiges Zeichen für die Bundestagswahl in vier Wochen? Nein,
ebenso wenig wie die Europawahl vor der Sommerpause. Die Republik
erlebte allenfalls Momentaufnahmen, aber keine verlässlichen Hinweise
darauf, wer künftig das Land regiert.
Fakt ist: Der deutsche Wähler ist unberechenbarer denn je, vieles ist
denkbar: Von Rot-Rot-Grün bis Jamaika im Saarland, von der großen bis
zur schwarz-gelben Koalition in Sachsen, sogar ein linker
Ministerpräsident in Thüringen. Mit diesem Sonntag ist die
Bundesrepublik wieder eine buntere Republik geworden. Denn von der
Schwäche der SPD hat die CDU nicht profitiert, aber die drei Kleinen
allesamt von den bröckelnden Großen.
Sicher ist: Die Bürger wollen keine absoluten Mehrheiten, sondern
Koalitionen. Was sich im politischen Labor Hessen vor eineinhalb
Jahren andeutete, hat nun auch andere Teile der Republik ergriffen,
in Ost wie West: Das Fünf-Parteien-System ist eine Realität, die neue
Zwänge, aber auch neue Möglichkeiten bietet, auch wenn sie derzeit
noch nicht verwirklicht werden. FDP und Grüne entwickeln sich mehr
denn je zu den Königsmachern.
Die Botschaft für Berlin ist eindeutig. Auch wenn die SPD eine
historische Schwächephase erlebt, hat die Union noch nicht gewonnen.
Jeder, der schon Ministerposten verteilte, sieht sich getäuscht. Die
Kanzlerin mag sich an die traumatischen Abende der Bundestagswahlen
2002 und 2005 erinnern, als die Regierung mit der FDP jeweils schon
ausgemacht war, und dann doch alles anders kam.
SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier steht dagegen erneut vor der
unlösbaren Aufgabe, einer rot-rot-grünen Koalition eine überzeugende
Absage zu erteilen. Alle wissen: Eines Tages ist es soweit, die Frage
ist nur wann. Paradoxerweise bietet derzeit Oskar Lafontaine den
besten Schutz vor einem linken Dreier-Bund. Solange der sinistre
Saarländer bei der Linkspartei wirkt, hat die SPD einen wirklich
guten Grund, eine Koalition im Bund zu unterlassen. Gut möglich
übrigens, dass an der Saar und in Thüringen bei der Regierungsbildung
auf Zeit gespielt und ein Bündnis erst nach dem 27. September
beschlossen wird, um Steinmeier die entsprechende Debatte zu
ersparen.
Die nächsten vier Wochen jedenfalls dürften spannend werden.
Entschieden ist nichts. Jede Stimme zählt. Die Zeit des
Langeweile-Wahlkampfs ist vorbei.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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