Neue Westfälische: Gewalt in der Gesellschaft Gegen die Gleichgültigkeit THOMAS SEIM
Geschrieben am 18-09-2009 |
Bielefeld (ots) - Ein 50-jähriger Geschäftsmann ist tot. Zwei junge Männer haben ihn erschlagen, weil er Kinder vor ihnen schützen wollte. Ein paar Meter weiter standen andere Menschen und sahen zu. Eingegriffen haben sie nicht. Aus Furcht? Aus Gleichgültigkeit? Hand aufs Herz: Hätten Sie eingegriffen? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich es getan hätte. Ich versuche, mir einzureden, dass ich geholfen hätte. Aber sicher bin ich nicht. Sicher ist sich keiner von denen, dem ich die Frage - auf Ehre unter vier Augen - vorgelegt habe. Wir leben in einer Gesellschaft, in der das Nebenan immer weniger zählt. Die Menschen sind sehr auf sich konzentriert, darauf, dass sie sich und ihre Familie einigermaßen durch das komplizierter gewordene Leben steuern. Für den Blick zur Seite, auf den Nächsten und dessen Sorgen, Nöte, Probleme bleibt kaum Raum. Früher nannte man das Ellbogengesellschaft. Aber das trifft es nicht. Wir sind nicht die Gesellschaft rücksichtsloser Ich-linge, die ihr Handeln gegen andere richten. Die Menschen wollen für sich sein, nur für sich. Das Ergebnis ist Gleichgültigkeit. Es ist uns unwichtig geworden, wer oder was neben uns ist. Oder wer neben uns stirbt. Wir haben genug damit zu tun, selbst zurecht zu kommen. Dieses Phänomen kann man nicht nur im Alltag der menschlichen Beziehungen beobachten. Es gilt auch - oder gerade - in der Politik. Die Wahlbeteiligung sinkt. Die Parteien und ihre Politiker haben Mühe, die Bürger, auch interessierte Bürger, für die öffentliche Sache, die res publica, für unsere Republik also, zu interessieren. Es regiert Gleichgültigkeit. Das gab es schon mal in Deutschland. Auch das Biedermeier im 19. Jahrhundert liebte das private Idyll und ließ die öffentliche Sache verkommen. Mit verheerenden Folgen, wie wir heute wissen. Aber wenn die Deutschen traditionell lieber privat bleiben wollen - darf man ihnen das vorhalten? Man darf nicht nur, man muss. Man darf uns nicht aus der Pflicht gegenüber Mitmenschen wie dem 50-jährigen Kinderbeschützer entlassen. So wenig wie man uns aus der Pflicht gegenüber der öffentlichen Sache, unserer Republik, entlassen darf. Deshalb muss man von den Bürgern verlangen, dass sie sich einmischen und einem 50-Jährigen helfen, wenn er sich schützend vor Kinder stellt. Deshalb muss man, auch wenn man gegen eine Wahlpflicht ist, von ihnen verlangen, dass sie sich die Mühe machen, alle paar Jahre ihre Parlamente mit zu wählen. Es ist in Mode gekommen, die 68-er-Protestbewegung der Studenten zu verunglimpfen, weil sie Autoritäten so sehr in Frage stellte, dass weiten Teilen der Gesellschaft der Respekt vor Institutionen und Menschen völlig abhanden kam. Dem Vorhalt müssen sich die Protagonisten von damals sicher stellen. Aber auch diesen Spiegel haben die 68-er der Bürgergesellschaft vorgehalten: Lasst das Glotzen sein - greift ein! Das ist und bleibt ein guter Rat. Für die Politik. Und für die Menschen auf den Bahnsteigen. In München. Und überall in Deutschland.
Originaltext: Neue Westfälische Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/65487 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_65487.rss2
Pressekontakt: Neue Westfälische Jörg Rinne Telefon: 0521 555 276 joerg.rinne@neue-westfaelische.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
225948
weitere Artikel:
- Rheinische Post: Schlechtes in Erfurt Kommentar Von Reinhold Michels Düsseldorf (ots) - Man möchte gar nicht wissen, wie viel politisch-parlamentarische Reputation das elende Feilschen um Koalitionen in einem so zentral gelegenen Bundesland wie Thüringen kostet. Das Wahlrecht, das solche Händel, Vorsondierungen, Sondierungen, Gespräche, Verhandlungen immer häufiger befördert, müsste geändert werden. Aber das ist erfahrungsgemäß ein ähnlich frommer Wunsch wie derjenige, durch Thüringen möge ein Aufschrei der Vernünftigen gehen für die große Koalition und gegen ein politisch-ökonomisches Akrobaten-Trio mehr...
- WAZ: Geplatzte Träume. Kommentar von Hayke Lanwert Essen (ots) - Er hatte große Träume, wollte sein Abitur machen, danach Jura studieren. Harut, der Junge auf dem Foto links. Doch nach elf Jahren in Deutschland wurden er und seine Familie nach Armenien abgeschoben. Dass die Ausländerbehörde dabei nach Recht und Gesetz vorging, daran gibt es keinen Zweifel. Doch neben Recht und Gesetz gibt es Mitmenschlichkeit und auch Ermessensspielräume. Nicht jede Ausländerbehörde in Nordrhein-Westfalen hätte ihn, einen Menschen mitten in der Ausbildung, mit guten Zukunftschancen, in sein Herkunftsland mehr...
- WAZ: Sierau und die Dortmunder SPD - Im Abseits. Kommentar von Walter Bau Essen (ots) - Augen zu und durch - mit diesem Motto will die Dortmunder SPD offenbar die tiefe Vertrauenskrise, in die die Spitzengenossen ihre Partei in der einstigen Hochburg gestoßen haben, durchstehen. Inzwischen zeigt sich überdeutlich: Diese Taktik ist gescheitert. Es ist überfällig, dass die SPD das quälende Gewürge beendet und einen sauberen Schnitt macht. An Neuwahlen in Dortmund führt kein Weg vorbei. Sozialdemokrat Ullrich Sierau, der gewählte Oberbürgermeister, hat sich mit einer Mischung aus Halbwahrheiten, widersprüchlichen mehr...
- Rheinische Post: Merkels Botschaften Kommentar Von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Eine knappe Mehrheit der Deutschen steht links der Mitte. Das ist der Befund der Demoskopen. Wie kann sich angesichts dieser Position eine schwarz-gelbe Koalition durchsetzen? Sie muss einen integrativen Wahlkampf führen. Das genau tut Merkel. Sie attackiert den Gegner nicht, sie richtet Positiv-Botschaften an ihre Anhänger und vermeidet alles, was potenzielle SPD-Wähler an die Urnen bringen könnte. Ihre Alternative heißt: Klare Verhältnisse oder Hängepartie. So auch gestern bei ihrem Auftritt vor der Hauptstadtpresse, mehr...
- WAZ: Rot-Rot-Grün in Thüringen? - Unwürdiges Geschacher. Kommentar von Frank Stenglein Essen (ots) - Auf den ersten Blick wirkt der Schritt des thüringischen Linken-Chefs Bodo Ramelow ebenso sympathisch wie geschickt. Scheinbar bescheiden verzichtet er darauf, in einer möglichen rot-rot-grünen Koalition in Thüringen den Ministerpräsidenten zu stellen, ein Amt, das den Linken als stärkster Koalitionsfraktion zustände, das faktisch aber nicht erreichbar ist. Der schwarze Peter läge jetzt eigentlich bei der SPD. Sie hätte Mühe zu begründen, weshalb sie Parteichef Christoph Matschie nicht mit den Stimmen der Linken zum Ministerpräsidenten mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|