Westdeutsche Zeitung: Die Freibier-Strategie der CSU = Von Eberhard Fehre
Geschrieben am 21-09-2009 |
Düsseldorf (ots) - Ein Wahlkampf ist kein Wettbewerb, bei dem man die Worte auf die Goldwaage legen sollte. Aber einen Hauch von Ernsthaftigkeit darf das Publikum doch erwarten. Dem Füllhorn an Wahlgeschenken jedoch, das die CSU gestern eine Woche vor der Wahl über das Land ausschüttete, fehlt das zur Gänze. Steuersenkungen sofort, Steuersenkungen 2011, Steuersenkungen 2012. Und das alles unter der aus früheren Wahlkämpfen bekannten Betrüger-Parole "Mehr Netto vom Brutto", dem Kampfruf derer, die auf das kurze Gedächtnis ihrer Opfer setzen. Wohl zu Unrecht. Oder muss man tatsächlich an die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung nach der letzten Wahl erinnern? Diese offenbar vom aktuellen Oktoberfest inspirierte "Freibier-Strategie" ließe sich angesichts einer Rekordverschuldung, die sich im kommenden Jahr mit satten 100 Milliarden neuen Schulden fortsetzen wird, allein durch radikalen Sozialabbau und weitere Streichungen bei Bildung und Infrastruktur finanzieren. Da muss man schon den beiden Ministern Steinbrück (SPD) und Guttenberg (CSU) - genau: der von ausgerechnet dieser Partei - dankbar sein, holten sie doch am Vorabend bei ihrer Diskussion mit Anne Will die Realität in den Wahlkampf zurück. Von "Zumutungen" war da die Rede, von "harten Einschnitten" und vom "Liebgewonnenen", das nun "auf den Prüfstand" müsse. Der Vorwurf, die Herren seien im Vagen geblieben und hätten nicht Ross und Reiter genannt, ist zwar berechtigt. Aber mehr wäre da wohl im Endspurt des Wahlkampfes zu viel verlangt. Immerhin, die beiden Minister für Wirtschaft und Finanzen machten klar, worüber die nächste Regierung, wie immer der Souverän sie am Wahltag zusammensetzt, wird ringen müssen: die Stabilisierung der Staatsfinanzen durch Stärkung der Einnahmeseite, nicht zuletzt, um die Verwerfungen der Krise abzufedern. Denn ein bankrotter Staat müsste die ohnehin bis an die Grenze strapazierte soziale Balance zum Einsturz bringen. Das lässt für millionenschwere Steuergeschenke in absehbarer Zeit keinen Raum, im Gegenteil. Als Trost bleibt allerdings, dass dies die Regierten wohl besser wissen, als es uns die Regierenden und ihre Wahlkampfparolen glauben machen wollen.
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