Weser-Kurier: Der "Weser-Kurier" (Bremen) kommentiert in seiner Ausgabe vom 29.09.2009 die Lage der SPD und ihres Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier nach der Wahlniederlage:
Geschrieben am 28-09-2009 |
Bremen (ots) - Kampf um Schröders Erbe von Joerg Helge Wagner Frank-Walter Steinmeier ist zwar Parlamentsneuling, aber von Machtpolitik versteht der ehemalige Kanzleramtsminister und scheidende Außenamtschef einiges. So war es eben nicht vermessen und realitätsblind, dass sich der Spitzenkandidat unmittelbar nach der schlimmsten Niederlage seiner Partei wie selbstverständlich zum Oppositionsführer ausrief. Die durchaus ehrenwerte Alternative wäre der sofortige Rücktritt von allen Ämtern gewesen. Das aber hätte die Aufgabe von Gerhard Schröders Erbe bedeutet - doch gerade mit dieser Modernisierung der SPD zu einer Partei der Mitte hat sich Steinmeier immer voll identifiziert. So erfolgreich, dass er als Vizekanzler sogar weite Teile der Union damit "infizieren" konnte. Ein Problem der SPD ist, dass die vermeintlich Progressiven eigentlich die Konservativen innerhalb der Partei sind. Was Steinmeier noch in der "Elefantenrunde" am Wahlabend tapfer als sozialdemokratische Verdienste zur Verringerung von Schulden und Arbeitslosigkeit verteidigte, ist ihnen ein Gräuel: die ganze Agenda 2010 mit den Grausamkeiten von Hartz IV und dann auch noch Münteferings Rente mit 67 - Bebel bewahre! Während Steinmeier sich noch ärgert, dass Merkel und Westerwelle jetzt von Schröders und seiner Vorarbeit profitieren, finden seine linken Genossen, dass diese Politik bei Schwarz-Gelb auch viel besser aufgehoben ist. Die Agenda 2010 ist das interne Feindbild für die Wowereit, Nahles, Sieling und Dreßler. Ihre Alternative - höhere Spitzensteuer, Börsenumsatzsteuer, Vermögensteuer, Zwangsversicherung für alle - unterscheidet sich vom Programm der Linken nur graduell. Das ist eine gute Verhandlungsgrundlage - auf allen Ebenen. Aber die Außenpolitik? Ach je, da ging dem Außenminister doch schon beim Mandat für die Tornados in Afghanistan jeder dritte in der Fraktion von der Fahne. Und diese dezimierte, verunsicherte Truppe soll nun ausgerechnet der Wahlverlierer zusammenhalten? Muss er wohl, denn das zweite Riesenproblem der SPD ist ihr Mangel an Spitzenpersonal, gerade auf dem "rechten" Flügel. Thomas Oppermann ist sicher ein guter Adjudant für Steinmeier, aber wer bleibt sonst noch, wenn Münte sich zurückzieht? Die Prominenten im Seeheimer Kreis sind die Minister a.D. von morgen: Ulla Schmidt, Sigmar Gabriel, Wolfgang Tiefensee. Die jüngeren sind entweder politisch angeschlagen - wie Garrelt Duin - oder kaum bekannt, wie die Sprecher Petra Ernstberger, Johannes Kahrs, Klaas Hübner. Andererseits war ja das "Kompetenzteam" des Spitzenkandidaten Steinmeier nicht gerade klein - aber wer erinnert sich noch an Manuela Schwesig oder Harald Christ?
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