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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Herbstgutachten

Geschrieben am 15-10-2009

Bielefeld (ots) - Wahlkampf ist wie Frühling. Mit Schmetterlingen
im Bauch versprechen die Politiker den Wählern alle Sterne vom
Himmel. Schon kurz nach der Wahl sieht die Welt meistens anders aus,
viel herbstlicher. Trotzdem besteht die Gefahr, dass sich die
Parteien beim Aufsetzen des Ehe- bzw. Koalitionsvertrages noch vom
Wunschdenken leiten lassen. Man hängt eben als Politiker an seinen
Versprechen von gestern.
Gut, dass es in dieser Situation die Sachverständigen und
Wirtschaftsinstitute gibt! Ihre Botschaft ist klar und im Übrigen
leicht nachzurechnen: Wer an den Einnahmen kürzt, indem er
Steuererleichterungen beschließt, muss gleichzeitig auch an die
Ausgaben ran. Ansonsten wird die Rechnung schon für diese und erst
recht für nächste Generation sehr, sehr teuer.
Dies bedeutet ausdrücklich nicht, dass der schwarz-gelben Koalition
die Hände gebunden sind. Die Sachverständigen weisen zu Recht darauf
hin, dass machbare Vorschläge für die Kürzung staatlicher Ausgaben
längst auf dem Tisch liegen. Die von Roland Koch (CDU) und Peer
Steinbrück (SPD) erarbeitete Streichliste wartet nur darauf, aus der
Schublade herausgeholt zu werden, in der sie vor sechs Jahren
abgelegt worden ist.
Auf zwei Dinge sollten Union und FDP nicht bauen: auf eine bisher
unbekannte Steuerquelle, wie sie im Jahr 2000 die Versteigerung der
UMTS-Lizenzen darstellte, und darauf, dass die wieder anspringende
Konjunktur schon genug Steuergeld in die Staatskasse spülen werde.
Das Gegenteil könnte eintreffen: Das, was die fürs kommende Jahr
prognostizierten 1,2 Prozent Wachstum mehr an Mehrwertsteuer
einbringen werden, wird vermutlich von den sinkenden Steuereinnahmen
als Folge steigender Arbeitslosigkeit und weggebrochener
Unternehmensgewinne übertroffen werden. Die Konjunktur wird den
Spielraum der Koalition vorerst nicht vergrößern. Dass selbst der
kleine Aufschwung von 1,2 Prozent wieder in Gefahr geraten kann,
zeigt sich an dem Ratschlag der Experten, mit dem Sparprogramm erst
2011 zu beginnen.
Es gibt nichts zu verteilen, nicht nach dieser Krise. Möglich bleibt
natürlich eine Umverteilung. Doch auch dabei ist Vorsicht angeraten:
Jede Regierung tut gut daran, diejenigen, die die Rettungspakete für
Banken und Industrieunternehmen bezahlen, nicht zusätzlich zu
bestrafen. Bleibt die immer wieder versprochene, aber niemals
eingehaltene Vereinfachung des Steuersystems. Wer diese
Herkulesaufgabe stemmt, kann sich des anhaltenden Danks der Wähler
sicher sein.
Es führt kein Weg daran vorbei: Wer verteilen will, muss sparen.
Union und FDP haben noch eine Menge vor sich. Die Klausur am
kommenden Wochenende kann da nur den Grundstock legen. Es ist eben
schon etwas Anderes, ob man mit Schmetterlingen im Bauch
Wahlprogramme schreibt oder Verantwortung für Staat und Gesellschaft
übernimmt.

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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