Mehr Medizin in die Zahnmedizin / Berufsverband Deutscher Oralchirurgen tagt in Berlin
Geschrieben am 13-11-2009 |
Berlin (ots) - Die steigende Zahl von Menschen mit chronischen Erkrankungen und der wachsende Anteil älterer und pflegebedürftiger Menschen in der Bevölkerung sorgen dafür, dass Zahnärztinnen und Zahnärzte sich zunehmend auf Risikopatienten einstellen müssen. Insbesondere bei oralchirurgischen Eingriffen sind bei diesen Patienten oft besondere Maßnahmen und die Zusammenarbeit mit anderen Ärzten erforderlich. »Mehr Medizin in die Zahnmedizin", fordert darum der Berufsverband der Deutschen Oralchirurgen bei seiner 26. Jahrestagung am 13. und 14. November in Berlin.
In Deutschland leiden etwa 1,8 Millionen Menschen an Herzschwäche, fünf Millionen Menschen haben Diabetes, 600.000 rheumatoide Arthritis. Pro Jahr erleiden 280.000 Menschen einen Herzinfarkt und 200.000 einen Schlaganfall. Millionen von Patienten nehmen Medikamente ein, welche die Blutgerinnung aber auch andere Stoffwechselvorgänge sowie Wundheilungsprozesse beeinflussen. Mehr als zwei Millionen sind pflegebedürftig, über eine Million leidet an Demenz.
Der »demographische Imperativ« zwingt Zahnärztinnen und Zahnärzte dazu, sich auf eine steigende Zahl von Risikopatienten einzustellen. »Wichtig ist es für den Arzt, Risiken und mögliche Komplikationen einer Therapie zu kennen und die besten Konzepte zur Vermeidung von Misserfolgen oder Komplikationen in seine Behandlung zu integrieren«, erklärt Dr. Dr. Wolfgang Jakobs, 1. Vorsitzender des Berufsverbandes der Deutschen Oralchirurgen.
Die demographische Entwicklung erfordert, so Jakobs, »gerade in der Oralchirurgie, mehr noch als im allgemeinzahnärztlichen Bereich, eine Abstimmung der Therapiekonzepte auf die Vorerkrankung der Patienten.«
Muss sich beispielsweise ein Patient ein halbes Jahr nach einem Herzinfarkt einem oralchirurgischen Eingriff unterziehen, ist in vielen Fällen eine EKG-Überwachung während des Eingriffes erforderlich. »Ebenso ist es sinnvoll, wenn dann ein Arzt für Anästhesie im stand-by ist«, erklärt Jakobs.
Vor einem Eingriff muss der Oralchirurg auch wissen, welche Medikamente der Patient nimmt. »Wir müssen unsere Patienten darum beispielsweise stets nach den vier A's fragen: Antikoagulantien, Acetylsalizylsäure, Antirheumatika und Antibiotika«, sagt Jakobs.
In Deutschland werden schätzungsweise alleine 900.000 Menschen mit gerinnungshemmenden Medikamenten (Antikoagulantien) behandelt. Vorhofflimmern - eine häufige Herzrhythmusstörung -, mechanische Herzklappen und die sogenannte Sekundärprävention, die Vermeidung von erneuten Thrombosen (Blutgerinnseln), etwa nach einer Beinvenenthrombose oder einer Lungenembolie, sind die häufigsten Indikationen für eine solche Behandlung.
Hinzu kommen viele Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen, die mit Thrombozyten-Aggregationshemmern wie Acetylsalicylsäure behandelt werden. Durch diese Behandlung wollen Ärzte einem Verschluss von Blutgefäßen vorbeugen. »In den meisten Fällen besteht bei diesen Therapien eine vitale Indikation«, betont Jakobs. Darum dürfe eine solche Medikation vor einem oralchirurgischen Eingriff auf keinen Fall ohne Rücksprache mit dem behandelnden Hausarzt oder Internisten abgesetzt werden. Bei einem Patienten mit Vorhofflimmern beispielsweise, wäre dies ein lebensbedrohliches Risiko.
Ohnehin ist das Absetzen der Behandlung oder die Umstellung auf Heparin in vielen Fällen nicht erforderlich. Die Studienlage ist hier inzwischen eindeutig: »Bei einem einfachen oralchirurgischen Eingriff müssen Antikoagulantien (z.B. Marcumar) oder Acetylsalicylsäure sowie andere blutverdünnende Medikamente in der Regel nicht abgesetzt werden«, erklärt Priv. Doz. Dr. Dr. Daniel Rothamel von der Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Köln.
Werden die Medikamente abgesetzt, ist das Risiko von Thrombosen und Embolien sehr viel höher als das theoretisch bestehende Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung aufgrund des oralchirurgischen Eingriffs. Hier ist eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Hausarzt gefragt, da auch von Seiten der Hausärzte die Gefahr einer Blutung nach oralchirurgischen Behandlungen häufig überschätzt wird.
Originaltext: Berufsverband deutscher Oralchirurgen Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/77850 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_77850.rss2
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