(Registrieren)

Westfalenpost: In Windeseile

Geschrieben am 27-11-2009

Hagen (ots) - Jung weg, Kabinett umgebildet
Von Winfried Dolderer
Das ging nun viel schneller, als man nach aller Erfahrung erwarten
durfte, und zwar beides: der Rücktritt des angeschlagenen Ministers
Jung und der kleine Kabinettsumbau, mit dem die Kanzlerin in
Windeseile Ersatz geschaffen hat. Schadensbegrenzung durch
Entschlusskraft, so darf man das wohl verstehen.
Es ist ja für eine Regierung, die nach vorherrschender Meinung
ohnehin nicht den elegantesten Start hingelegt hat, keine Empfehlung,
wenn schon nach vier Wochen der erste aus dem Kabinett kippt. Jetzt
hat die gewiefte Machtexpertin aus dem drohenden Schaden den
größtmöglichen Vorteil gezogen. Sie ist eines Kabinettskollegen
ledig, der zwar stets loyal, aber auch glanz- und glücklos war und
auf die Dauer zur Belastung hätte werden können.
Sie hat dem Publikumsliebling aus der Unions-Riege im vorigen
Kabinett einen Wunsch erfüllen können, Frau von der Leyen, von der
man schon während der Koalitionsverhandlungen wusste, dass sie sich
dem Familienressort entwachsen fühlte und nach einer neuen Aufgabe
sehnte. Und sie hat damit die Interessen der Hessen-CDU zu
vereinbaren gewusst, der der Gescheiterte entstammt, und die nunmehr
eine frische Hoffnungsträgerin ins Familienministerium entsenden
darf.
Was Jung betrifft, auch er hat Geschichte gemacht, als der Minister
mit der kürzesten Amtszeit seit Bestehen der Bundesrepublik.
Es hätte anders kommen können unter dieser Kanzlerin, die rasche
Entschlüsse eher meidet, Stabilität und Ruhe schätzt, weil sie weiß,
dass auch die Bürger danach verlangen. Nach allen Erfahrungen aus
ihrer ersten Amtszeit zieht sie Duldsamkeit gegenüber politischen
Schwächen dem Risiko von Turbulenzen vor. Sie hat den öfters
tolpatschig agierenden Verteidigungsminister Jung nie behelligt, und
sie hat damals auch den nicht minder unbeholfen wirkenden
Wirtschaftsminister Glos machen lassen, bis dieser selber die Lust
verlor.
Jetzt hat Jung als Arbeitsminister das Handtuch geworfen, weil er
die politische Verantwortung übernimmt für Pannen, die es unter
seiner Führung im Verteidigungsressort gegeben hat. Politische
Verantwortung, das ist für einen Minister der klassische
Rücktrittsgrund, ein zwingender indes keineswegs. Es hat Ressortchefs
gegeben, die angesichts unleugbarer persönlicher Belastung, wie sie
Jung bislang nicht nachzuweisen ist, keinen Anlass zu Konsequenzen
sahen, man denke an seinen fernen Vorgänger Wörner. Rücktritt oder
nicht, das ist vor allem eine Frage persönlichen Stehvermögens.

Originaltext: Westfalenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/58966
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_58966.rss2

Pressekontakt:
Westfalenpost
Redaktion

Telefon: 02331/9174160


Kontaktinformationen:

Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.

Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.

Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.

http://www.bankkaufmann.com/topics.html

Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.

@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf

E-Mail: media(at)at-symbol.de

239483

weitere Artikel:
  • Rheinische Post: Schwarz-gelber Fehlstart von Martin Kessler Düsseldorf (ots) - Es ist müßig zu entscheiden, ob Schwarz-Gelb in diesem Jahr schlechter gestartet ist als Rot-Grün vor elf Jahren. Damals beherrschten Reizthemen wie die 600-Mark-Jobs, der Rücktritt Lafontaines und die Nachbesserung an vielen Gesetzen die Schlagzeilen. Heute hat die christlich-liberale Koalition in nur wenigen Wochen ihr Vertrauen verspielt mit unbezahlbaren Steuersenkungensversprechen, dem Versuch der Einrichtung von Schattenhaushalten, dem Streit um die Vertriebenen-Chefin Steinbach und jetzt dem Rücktritt von Arbeitsminister mehr...

  • Rheinische Post: EU-Chance verpasst von Anja Ingenrieth Düsseldorf (ots) - Günther Oettinger bekommt ein Schlüssel-Ressort in Europas Exekutive. Das stimmt formal. Dennoch besteht kein Grund zur Euphorie. Denn das Energie-Portfolio bietet wenig Gestaltungsspielraum. Große Gesetzgebungs-Möglichkeiten sind nicht in Sicht. Der Energie-Binnenmarkt gilt als weitgehend liberalisiert. Die Schlacht um einen Brüsseler Zwang zum Netz-Verkauf für Eon, RWE und Co. ist im deutschen Sinne geschlagen. Erweiterte Zuständigkeiten etwa für den Klimaschutz wollte Oettinger zwar, bekam sie aber nicht. Stattdessen mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Minister Jung tritt nach Afghanistan-Eklat zurück Wo ist die Reset-Taste? Cottbus (ots) - Angela Merkels zweite Amtszeit ist nach vier Wochen schon so verkorkst, dass man die Reset-Taste drücken möchte. Aber wo? Die Koalitionsverhandlungen quälend. Ein schwarz-gelbes Programm ohne Idee. Streit um fast alle entscheidenden Fragen. Und nun der erste Minister-Rücktritt im Skandal. Die Altlast Franz Josef Jung ist in Wahrheit eine Neulast der Kanzlerin. Sie hat den Hessen zum Arbeitsminister befördert, obwohl er schon als Verteidigungsminister eine schwache Figur machte. Sie war gewarnt, aber sie wollte Frieden mehr...

  • Lausitzer Rundschau: Zum Rauswurf von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender Mehr als eine Personalie Cottbus (ots) - Es ist ein Skandal und sollte als solcher auch begriffen werden. Denn der Fall des vom ZDF-Verwaltungsrat in seinem Amt nicht verlängerten Chefredakteurs Nikolaus Brender ist viel mehr als eine Personalie. Es ist ein offener Angriff auf die Unabhängigkeit des Journalismus, die freie Meinungsbildung und damit unsere Entscheidungsfähigkeit. Denn bei der Entlassung Brenders geht es nicht, wie vorgegeben, um sinkende Quoten oder Amtsmüdigkeit, sondern um politische Machtausübung. Hier läuft der Versuch, sich einen Sender mehr...

  • Neue Westfälische: Neue Westfälische Bielefeld: KOMMENTAR Schwarz-gelbe Koalition Krisensymptome ALEXANDRA JACOBSON Bielefeld (ots) - Zunächst schien alles darauf hinzudeuten, dass Franz Josef Jung an seinem Stuhl kleben und sich die Kanzlerin in der Kundus-Affäre auf ihre Fähigkeit des Aussitzens besinnen würde. Doch es kam anders. Dass Jung unerwartet rasch die Konsequenzen gezogen hat, ist vor allem ein Verdienst der Opposition, die konzentriert und kraftvoll für dieses Ziel gestritten hat. Jung musste aber auch deshalb schnell gehen, weil sein Verbleib den Eindruck von Dilettantismus, der die schwarz-gelbe Regierung in ihren ersten vier Wochen hartnäckig mehr...

Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten

Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:

LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre

durchschnittliche Punktzahl: 0
Stimmen: 0

Bitte nehmen Sie sich einen Augenblick Zeit, diesen Artikel zu bewerten:

Exzellent
Sehr gut
gut
normal
schlecht