Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Minarette:
Geschrieben am 30-11-2009 |
Bielefeld (ots) - Unmöglich: Vier Moscheen mit Minaretten gibt es in der gesamten Schweiz - und die Mehrheit der Eidgenossen fühlt sich gestört. 1,5 Millionen Bürger (57,5 Prozent) votierten am Sonntag gegen Religionsfreiheit, Toleranz und städtebaulichen Kleinkram. Ein gleichzeitig vorgelegtes Verbot von Waffenexporten scheiterte dagegen mit 31,8 Prozent. Verkehrte Welt: Granaten für Diktaturen sind kein Problem, aber der Baustil einer Weltreligion wird nicht geduldet. Das Verbot für Gebetstürme soll nun in die Schweizer Verfassung aufgenommen werden. Internationale Rechtsnormen könnten die endgültige Umsetzung zwar noch ausbremsen, aber der kulturpolitische Schaden ist längst eingetreten und massiv. Schon fühlen sich Extremisten von Dänemark über die Niederlande, Norditalien bis Österreich bestärkt, es den Schweizern gleichzutun. Gewollten Missverständnissen wie Muslime gleich Islamisten, Gebetsruf gleich Hass und Kopftuch gleich Vermummung wird Tür und Tor geöffnet. Dabei werden ungelöste gesellschaftspolitische Probleme mit religionsphilosophischen Fragen gnadenlos vermengt. Ganz klar: Strittige Themen wie Zwangsehe, Benachteiligung von Mädchen, Missbrauch abendländischer Freiheiten und religiös verbrämte Kriegstreiberei dürfen nicht ausgeblendet werden. Wohlgemerkt alles das gibt es in gravierenden Einzelfällen. Der Staat darf nicht darüber hinwegsehen. Die Minarettfrage aber ist etwas gänzlich anderes. Sie steht auf einer Ebene mit der Existenz des Kreuzes in Klassenzimmern, Schulgebet, Kirchengeläut oder Eidesformeln. Von einem »negativen Signal für öffentlich gelebte Religion« spricht Gerhard Duncker. Der Islamexperte der Evangelischen Kirche von Westfalen mit neun Jahren Türkei-Praxis steuerte gestern eine der klügsten Bemerkungen zu der europaweit geführten Debatte bei. Das Votum könne bedeuten, dass Christen genauso ihre Kreuze abnehmen müssten, wie Muslime nicht mehr Minarette bauen dürften. Immer öfter gelte »negative Religionsfreiheit«. Wenn nur ein Elternpaar gegen ein Kreuz in der Schule sei, bekäme diese Minderheit Recht. Am Ende fände Religion nicht mehr öffentlich statt. Sitzen Christen und Muslime in einem Boot? Die Antwort lautet immer dann Ja, wenn die große Fraktion der Neinsager zu viel Einfluss gewinnt. Ob es um Minarette, Kohlekraftwerke oder Dorfumgehungen geht, macht kaum einen Unterschied. Stets ist die Zahl der Verhinderer größer als die der Befürworter. Wer mehr Volksentscheide und plebiszitäre Elemente will, muss wissen, das er die Gesamtverantwortung demokratischer Entscheidung unterhöhlt. Machen wir uns nichts vor. Auch hierzulande stießen in konkreten Fällen Todesstrafe, Minderheitenhatz oder rigoroser Egoismus auf erschreckende Zustimmung.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
239806
weitere Artikel:
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Swift-Abkommen: Bielefeld (ots) - Terrorbekämpfung ist eine wichtige internationale Aufgabe. Der Schutz der persönlichen Daten der Bürger ist ebenfalls von hohem Rang. Der EU-Ministerrat hat sich gestern mit einem dürren Kompromiss zwischen Terrorbekämpfung und Datenschutz vorerst aus der Schusslinie genommen. Er hinterlässt einen schalen Beigeschmack. Die Proteste gegen das Vorbeischleusen des Swift-Abkommens am EU-Parlament vorbei haben die Entscheidung nicht verhindert. Sie wurde einen Tag vor Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags getroffen, der dem mehr...
- Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema John Demjanjuk Bielefeld (ots) - 89 Jahre alt, schwach, im Rollstuhl sitzend, die Augen stets geschlossen: Muss man mit einem solchen Menschen nicht Mitleid haben? Die Frage verbietet sich spätestens von dem Augenblick an, als der Verteidiger zum ersten Mal das Wort ergreift und John Demjanjuk als »Opfer« bezeichnet. Das ist mehr als dreist. Er beleidigt die Opfer der NS-Vernichtungsmaschine. Demjanjuk war darin nach allem, was bekannt ist, kein großes Rad. Befehlshaber waren Deutsche, und sie saßen in Berlin. Doch sie brauchten willige Befehlsempfänger, mehr...
- Westfalenpost: Liberale Umfaller Hagen (ots) - Die FDP und das Swift-Abkommen Von Lorenz Redicker Die FDP war also dagegen. Das wussten wir schon, aber Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hat es gestern noch einmal klargestellt: Das Swift-Abkommen sei gegen den Widerstand ihres Hauses zustande gekommen. Seit gut einem Monat wird dieses Land von der FDP mitregiert. Deshalb äußert sich Leutheusser-Schnarrenberger als Justizministerin, nicht als FDP-Rechtsexpertin. Verhindert haben die Liberalen das Abkommen dennoch nicht. Kein Wunder - allein Vorzeige-Bürgerrechtler und mehr...
- Südwest Presse: Kommentar zum Prozess Demjanjuk Ulm (ots) - 89 Jahre alt ist er. Und schwer krank. Muss man einen Greis wie John Demjanjuk noch vor Gericht zerren? Man muss. In Deutschland allemal. In diesem vermutlich letzten größeren Verfahren wegen Massenmordes in der NS-Zeit wiegt nicht nur der zentrale Anklagepunkt so schwer. Demjanjuk steht gleichsam für ein nun zu Ende gehendes Zeitalter: das der Zeitzeugen bei Tätern und Opfern. Dies wirft ein noch spezielleres Interesse auf den Prozess in München als es bei Verhandlungen gegen Hitler-Nazis eh der Fall ist. Einmal mehr steht mehr...
- WAZ: Das Minarett als Symbol - Vorsicht, Volk. Kommentar von Frank Stenglein Essen (ots) - Nur vordergründig ging es in der Schweiz um Minarette. Vielmehr nutzten die Bürger ihr Stimmrecht zu einer Abrechnung: Integrationsunwilligen Neubürgern, die es natürlich gibt, soll ihr demonstratives Anderssein vergällt werden - hier mit dem Baurecht. Dieses Votum ist ungerecht, weil es mitbestraft, wer Religion und Radikalismus auseinander hält. Es ist kleinlich und Ausdruck übertriebener Angst. Nicht zuletzt sollte es diejenigen Linksliberalen bei uns nachdenklich stimmen, die von direkter Demokratie schwärmen. Das Volk mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|