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Berliner Morgenpost: Kein Schlussstrich beim Stasi-Unrecht

Geschrieben am 28-01-2010

Berlin (ots) - Das Stasi-Unterlagengesetz wurde zuletzt vor drei
Jahren novelliert. Es war ein einziges Debakel. Der in den Bundestag
eingebrachte Entwurf sah vor, die Regelüberprüfung von Mitarbeitern
in Behörden auf eine Verstrickung mit der DDR-Geheimpolizei ein für
allemal zu beenden. Zugleich hätte die Birthler-Behörde dann auch
öffentlichen und gemeinnützigen Stellen keine Auskünfte mehr über
Stasi-Kontakte von hochrangigen Personen des gesellschaftlichen
Lebens - Parlamentarier, Sportfunktionäre, Kulturschaffende -
erteilen dürfen. Es drohte nicht weniger als die schärfste Zäsur in
der Geschichte der DDR-Aufarbeitung. Die Abgeordneten planten eine
"Operation Schlussstrich", die allerdings gerade abgewendet werden
konnte. Aufgeschreckt durch heftige Proteste von Opferverbänden und
Aufarbeitungsinitiativen, entschloss man sich im letzten Moment, den
Gesetzesentwurf zu überarbeiten. Die Frist für die Überprüfung wurde
in einem chaotisch anmutenden Verfahren bis Ende 2011 verlängert.
Dieses Datum rückt nun näher, und deshalb besteht erneut
Handlungsbedarf.
Anders als vor drei Jahren hat das Parlament nun von sich aus die
Initiative ergriffen. Dazu bedurfte es dieses Mal keines Drucks von
außen. Jedoch befeuerten die Stasi-Fälle in der Brandenburger Politik
die Debatte. Im Bundestag haben gestern die Fraktionen von CDU, SPD,
FDP und Grünen zu erkennen gegeben, dass sie mit deutlicher Mehrheit
dafür stimmen werden, die Stasi-Checks bis 2016 auszuweiten -
möglicherweise sogar mit der Option einer weiteren Verlängerung.
Dieser Sinneswandel ist bemerkenswert und alles andere als
selbstverständlich. Noch vor 20 Jahren sprachen sich selbst namhafte
Politiker wie Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble dafür aus, die
Hinterlassenschaft von Mielkes Spitzelapparat im Reißwolf
verschwinden zu lassen. Das große Wegsehen, das damals am
entschiedenen Widerstand der Ostdeutschen scheiterte, ist
mittlerweile offenbar nicht mehr konsensfähig. Vielmehr scheint sich
die Erkenntnis durchgesetzt zu haben, dass man einer totalitären
Vergangenheit nicht entfliehen kann, indem man die Dinge unter den
Teppich zu kehren versucht.
Kurioserweise ist die gewachsene Sensibilität nicht zuletzt der
Linkspartei zu danken. "Honeckers Erben", wie sie der
Gedenkstättendirektor Hubertus Knabe nennt, haben in Brandenburg zu
erkennen gegeben, wie stark sie nach wie vor mit dem SED-Regime
verquickt sind. In der Fraktion im Potsdamer Landtag hatte jeder
vierte gewählte Abgeordnete der 26-köpfigen Linken-Fraktion eine
Stasi-Vergangenheit - das ist bundesweit Rekord. Mehrere
Parlamentarier haben ihre Verantwortung vertuscht und verleugnet.
Dies hat bundesweit Aufsehen erregt und viele Befürworter eines
Schlussstriches verstummen lassen. Einzig die Linke wehrt sich nahezu
geschlossen gegen die Fortsetzung der Durchleuchtung. Sie wird
wissen, warum. Anders als behauptet, nimmt der Wille zur Aufklärung
in dieser Partei nur einen geringen Stellenwert ein.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost

Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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