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Südwest Presse: Kommentar zu Afghanistan

Geschrieben am 28-01-2010

Ulm (ots) - Afghanistan hat eine höchst wechselvolle Geschichte
durchlitten und sich dabei einen einschlägigen Ruf erworben. Seit die
damalige Sowjetarmee 1989 geschlagen den Rückzug antreten musste,
gilt das Land am Hindukusch als "Friedhof der Supermächte". Diese
bittere Erfahrung droht nun auch den Amerikanern, die im Verbund mit
den Nato-Partnern und weiteren Staaten einen bislang mäßig
erfolgreichen Kampf gegen einen unberechenbaren Feind ausfechten.
Dass die Konferenz von London jetzt die erhoffte Wende bringt, ist
mindestens ungewiss.
Man muss nicht dem trostlosen Diktum der evangelischen Bischöfin
Margot Käßmann folgen, die jüngst feststellte: "Nichts ist gut in
Afghanistan." Aber wir sollten uns vor Illusionen hüten und dem
weisen Altkanzler Helmut Schmidt glauben, der einmal mehr erklärt,
warum dieser Krieg nicht zu gewinnen ist. Auch nicht mit einem
"Strategiewechsel", sofern dieser ehrgeizige Begriff überhaupt
angebracht ist. Schließlich setzt die Führungsnation USA weiter auf
die militärische Karte, um die Taliban mit einem noch einmal
verstärkten Aufgebot an Kampftruppen in einer Entscheidungsschlacht
endlich zu bezwingen, und sie lässt sich dabei von den scheinbar
wankelmütigen Alliierten nicht beirren.
Gegen diese Offensive wirkt der deutsche Beitrag wie ein zaghaftes
Aufrüsten, das in Washington auch nicht dadurch mehr Respekt
hervorruft, dass der moderat ausgeweitete Bundeswehreinsatz um
polizeiliche und zivile Komponenten ergänzt wird. Die schwarz-gelbe
Regierung verkauft als "Neuanfang", was in Wahrheit ein typischer
Kompromiss ist zwischen dem, was US-Präsident Barack Obama eigentlich
von Berlin erwartet, und dem, was den zunehmend kriegsmüden
Bundesbürgern gerade noch zuzumuten erscheint.
Außerdem wird die vermeintliche Abkehr vom bisherigen Kurs nicht mit
dem offenen Eingeständnis des Scheiterns verknüpft - das wäre wohl
auch zu viel verlangt von einer Bundeskanzlerin, die dafür seit über
vier Jahren die Verantwortung trägt. Überhaupt meidet Angela Merkel
das Thema Afghanistan, wo sie nur kann. Erst zwei Mal hat sie dazu im
Bundestag ausführlich gesprochen, am 8. September 2009 nach dem
Fehlschlag von Kundus wenige Tage vor der Bundestagswahl und am
vergangenen Mittwoch. Die Regierungschefin überlässt dieses
politische Minenfeld lieber ihren jeweiligen Ministern für
Verteidigung oder Auswärtiges, wie jetzt wieder in London.
Die CDU-Vorsitzende weiß natürlich, dass sie als "Kriegskanzlerin"
kaum Pluspunkte beim Volk sammeln kann. Doch wird sie mit dieser
Defensivtaktik ihrer Führungsverantwortung nicht gerecht. Ihr
Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) hatte in dieser Beziehung mehr Mumm.
Der Genosse duckte sich nicht weg, als es Prügel für die rot-grüne
Koalition wegen des Kosovo-Kriegs gab oder eiskalten Gegenwind aus
Amerika, weil sich Schröder dem Irak-Feldzug verweigerte.
Man sollte die Weltbühne eben nicht nur für Bussi-Bussi und schöne
Bilder nutzen, sondern auch dann, wenn es wehtut oder Konflikte mit
den Großen auszuhalten sind. Wahrscheinlich sitzt die Enttäuschung
über das Klimadebakel von Kopenhagen so tief bei der Kanzlerin, dass
sie nur noch an Gipfeln teilnehmen mag, deren Rendite von vornherein
garantiert ist.
Das war bei dem gestrigen Treffen an der Themse schon deshalb
auszuschließen, weil es sich dabei allenfalls um eine Etappe auf dem
Weg zu einer erfolgversprechenden Exit-Strategie handelte. Und um den
Versuch der Europäer, den Zorn der Amerikaner über den militärischen
Defätismus ihrer Partner diplomatisch zu verbrämen.

Originaltext: Südwest Presse
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/59110
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_59110.rss2

Pressekontakt:
Südwest Presse
Lothar Tolks
Telefon: 0731/156218


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