Neues Deutschland: Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und der Tabubruch
Geschrieben am 14-03-2010 |
Berlin (ots) - Sexuelle Gewalt gegenüber Kindern ist ein Verbrechen. Doch über einzelne Fälle offen zu reden, ist nach wie vor ein Tabubruch. Die Angst vor diesem treibt auch manche Opfer um, schließlich bedeutet das öffentliche Reden auch, dass die alten, schon vernarbt geglaubten Wunden wieder schmerzhaft aufbrechen. Die derzeitige Debatte über Vorfälle in katholischen Einrichtungen sowie anderen Schulinternaten schlägt aber auch ganz neue Wunden. Es schmerzt, wenn der Doyen der deutschen Reformpädagogik, Hartmut von Hentig, behauptet, nicht der ehemalige Rektor der reformpädagogisch orientierten Odenwaldschule habe sich an den Kindern vergangen, sondern dieser sei möglicherweise von Schülern verführt worden. Ausgerechnet der liberale, aufgeklärte Geist versucht begangenes Unrecht mit den gleichen Schutzbehauptungen zu relativieren, wie dies von Vertretern der katholischen Kirche bekannt ist.
Die Schriftstellerin Amelie Fried, selbst früher Schülerin in der Odenwaldschule, hat das Schweigen darüber gebrochen. Doch zum offenen Reden gehört auch, dass die jetzt bekannt gewordenen Fälle deshalb Aufsehen erregen, weil sie Institutionen betreffen, die für sich - jede auf ihre Art - die Bildung von moralischen Eliten reklamieren. Am Grad der Empörung über die Missbrauchsvorfälle an den Elite-Einrichtungen zeigt sich auch die Verwunderung der Gesellschaft über die Alltäglichkeit ihrer Eliten.
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