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WAZ: Gesundheitsreform in den USA - Obamas Mut wird belohnt. Leitartikel von Joachim Rogge

Geschrieben am 22-03-2010

Essen (ots) - Yes, er kann es doch. Der Mut zum Risiko hat sich
für US-Präsident Barack Obama ausgezahlt. Fast schon abgeschrieben
und als charismatischer Festredner im zynischen Washington belächelt,
hat sich Obama gegen alle Widerstände bis in die eigenen Reihen
hinein durchgesetzt. Mit knapper Mehrheit, aber immerhin, hat er mit
einer gehörigen Portion Machtbewusstsein seine Gesundheitsreform
durch den Kongress gedrückt.

Dass ihm dies tatsächlich gelingen kann, hatte noch vor
Monatsfrist kaum jemand mehr erwartet. Nach 14 mehr oder minder
glücklosen Monaten im Amt kann Obama nun endlich den herausragenden
innenpolitischen Erfolg vorweisen, den er zum politischen Überleben
so dringend braucht. Wäre das Ergebnis anders ausgefallen, hätte
Obama seine Ambitionen praktisch schon im zweiten Amtsjahr zu Grabe
tragen können. Der Sieg seines Lagers wird ihm jetzt neuen Rückenwind
verschaffen, sich auch um die anderen Baustellen Amerikas, vom
Klimaschutz über Finanzmarktregeln bis zur Einwanderung, zu kümmern.

Tatsächlich wird Amerikas erster schwarzer Präsident jetzt in die
Geschichte seines Landes als der Mann eingehen, der die größte
Sozialreform in den USA seit den 60er-Jahren durchgesetzt hat. Andere
Präsidenten vor ihm, besonders Parteifreund Bill Clinton, hatten sich
bei ähnlichen Versuchen noch blutige Nasen geholt. Zwar ist die
Gesundheitsreform nur ein Schatten des großen Wurfs, den Obama
ursprünglich geplant hatte. Auch künftig werden längst nicht alle
Amerikaner krankenversichert sein. Doch gemessen am sozial rüden
Ist-Zustand stellt die Reform einen historisch bedeutsamen Markstein
für die USA dar.

Die gut einjährige Debatte mit ihren schrill-aggressiven Tönen hat
das Land zutiefst gespalten. Dieser Graben wird sich nicht über Nacht
wieder zuschütten lassen. Amerikas Parteien und ihre Anhänger sind
in erschreckender Weise auseinandergedriftet. Auf der Zielgeraden
agierte auch Obama als kühler Machtpolitiker, der um fast jeden Preis
ans Ziel will. Selbst die Demokratische Partei steht alles andere als
geschlossen hinter dem Prestige-Projekt ihres Vormanns im Weißen Haus
und muss überdies aus guten Gründen fürchten, bei den
Kongress-Zwischenwahlen im November den Preis für die Ambitionen
ihres Präsidenten zu bezahlen. Die oppositionellen Republikaner
werden alles daran setzen, die anhaltende Empörung weiter zu schüren.
Obamas Sieg ist ein persönlicher Triumph des Präsidenten. Das
innenpolitische Klima aber bleibt gereizt, die Gesellschaft
gespalten. Das wird auch Obama noch lange belasten.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de


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