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Berliner Morgenpost: Obamas Mondlandung - Kommentar

Geschrieben am 22-03-2010

Berlin (ots) - Mehr als 100 Jahre, nachdem US-Präsident Theodore
Roosevelt als erster nach den Sternen griff und von einer
Krankenversicherung für das Volk träumte, hat Barack Obama erreicht,
was unter den Sozialreformen der USA der Mondlandung entspricht.
Harry Truman ersehnte sie in den 50er-Jahren, Bill und Hillary
Clinton wollten sie in den 90er-Jahren ertrotzen - alle scheiterten
an der Beharrungskraft eines amerikanischen Selbstverständnisses, das
Gesundheit und Versicherungsschutz als Waren wie andere begreift und
alles Heil im Spiel der Märkte erkennt. Obama und 219 Demokraten im
Kongress haben Versicherungsschutz zum Recht und Krankenversicherung
zur Pflicht erhoben. Es ist ein Sieg für die Amerikaner und ein Sieg
der Vernunft, wie der Präsident sagte. Ob er dafür belohnt oder mit
dem Verlust seiner Mehrheiten im Kongress bestraft wird, wird sich
zeigen.
Nichts lässt erwarten, dass sich die Republikaner nach 14 Monaten des
ideologischen Abnutzungskriegs gegen die "sozialistische
Machtübernahme" des Gesundheitswesens geschlagen geben. Sie haben
geschickt mit den Ängsten vor allem der älteren Bürger vor
Veränderung gespielt und die Gesundheitsreform zum "Todesstoß gegen
das Herz dieses Landes" stilisiert. So nannte es der Fraktionschef
der Republikaner John Boehner in seinem letzten Appell zur Umkehr.
Boehner und die seinen glauben tatsächlich, das "beste
Gesundheitssystem der Welt" gegen Obamas feindliche Übernahme zu
verteidigen. Dass dieses System bisher 46 Millionen Amerikaner ohne
Versicherungsschutz und die Kosten weit über alle anderen Nationen
hinausschießen lässt, flicht sie nicht an. Der Staat selbst ist nach
ihrer Überzeugung der Tumor. Je größer er wird, desto tödlicher die
Bedrohung für Amerika. In 14 Monaten und bis zur letzten Abstimmung
haben die Republikaner keine Hand für eine Reform gerührt. Sie setzen
darauf, dass sich Obstruktion auszahlt. Und sie könnten Recht
behalten.
Denn die Jahrhundertreform greift in ihren bedeutendsten
Veränderungen erst von 2014 an. Erst in jenem Jahr werden 32
Millionen nicht versicherte Amerikaner Zugang zu einer
Krankenversicherung erhalten. Erst dann wirkt die Verpflichtung, die
Gegner für freiheitsberaubend und verfassungswidrig halten. Und erst
dann sind die privaten Versicherer gesetzlich gehalten, auch Kunden
mit diagnostizierten Krankheiten zu erschwinglichen Konditionen
aufzunehmen, so wie ihnen ihre alte Gewohnheit, Kunden wegen der
ersten ernsthaften Krankheit hinauszuwerfen, verboten sein wird. Vier
Jahre sind lang, im Kongress rechnen sie wie Hundejahre. Von der
Spardisziplin künftiger Kongresse wird es abhängen, ob die Kosten für
die Reform im kommenden Jahrzehnt wirklich unter einer Billion Dollar
bleiben und das Haushaltsdefizit entlasten werden. Präsident Obama
und die Demokraten haben ihre Rechnung notgedrungen mit vielen
Unbekannten machen müssen. Anders als die Republikaner haben sie
erkannt, dass der Status quo eine asoziale Schande und längst
unbezahlbar ist.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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