Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Gaspreisurteil
Geschrieben am 24-03-2010 |
Bielefeld (ots) - Oft schon ist die Bindung des Gaspreises an das Heizöl totgesagt worden. Jetzt ist es wohl soweit. Das gestrige Urteil des Bundesgerichtshofs ist geeignet, ein Relikt der Planwirtschaft endlich ins Museum zu schicken. Voraussetzung: Die Gaslieferanten akzeptieren ihre Niederlage und beginnen nun nicht einen weiteren Kleinkrieg gegen die Verbraucher. Und die Verbraucher nehmen die Macht, die sie haben, auch wahr. Bisher überließen es die meisten Gaskunden der Bundesnetzagentur und den Gerichten, für ihre Rechte und für niedrigere Preise einzutreten. Trotz des Oligopols von Eon, RWE, Vattenfall und ENBW haben sie schon seit geraumer Zeit die Möglichkeit, ihre jährlichen Gasrechnung durch Wechsel des Anbieters um etwa 100 Euro zu drücken. Doch davon machen viel zu wenige Gebrauch. Wenn die Bereitschaft zum Wechsel nicht steigt, werden die Preise auch künftig zu hoch sein. Neben den deutschen Energiekonzernen haben in der Vergangenheit vor allem die russischen Gaskombinate und die von Oligarchen geführte halbstaatliche Wirtschaft dank der Ölpreisklausel gut gelebt. Mit dem Argument, Versorgungssicherheit sei nur mit hohen und kalkulierbaren Preisen zu gewährleisten, weil sonst niemand in die teure Erschließung neuer Gasfelder und den Bau neuer Pipelines investiere, wurde schon in den sechziger Jahren ein Preisfindungssystem installiert, bei dem die deutschen Verbraucher die Dummen waren. Denn anders als beim Heizöl, bei dem man selbst über den Zeitpunkt des Einkaufs und das Ausmaß der eigenen Bevorratung entscheidet, konnten die Kunden vor der Liberalisierung auf Preiserhöhungen kurzfristig allenfalls durch das Absenken der Wohnungstemperatur reagieren. Inzwischen hängt die Versorgungssicherheit weniger von der Menge des Angebots als vielmehr vom Wohlverhalten Russlands und der Länder ab, durch die das Gas nach Mitteleuropa transportiert wird. Der zunehmende Gastransport auf Schiffen führt auf den Spotmärkten der Welt zeitweise zu einem Überangebot. Hinzu kommen große neue Gasfelder in den USA, die Russland vor kurzem als weltweit größten Gasanbieter überholt haben. Neue Verfahren machen die Gewinnung aus dichten Ton- und Schieferschichten plötzlich profitabel. Schon bisher haben die Anbieter immer größere Billigmengen in Rotterdam und an den anderen Spotmärkten aufgekauft. Bei gleichzeitiger Beibehaltung der Ölpreisbindung sorgte dies für sehr gute Gewinne. Mit dem Wiederanziehen der Konjunktur nach der Krise werden die Preise für Heizöl und Sprit wieder steigen. Kein Wunder, dass sich die Gasanbieter diese Chance nicht entgehen lassen wollen. Ob es ihnen gelingt, den Verbrauchern noch mehr Geld aus der Tasche zu ziehen, wird sehr stark von den Kunden selbst abhängen. Nie war Sparen so einfach wie jetzt beim Gas.
Originaltext: Westfalen-Blatt Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306 Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt: Westfalen-Blatt Nachrichtenleiter Andreas Kolesch Telefon: 0521 - 585261
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