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DUH und BUND klagen gegen Bebauungsplan für Kohlekraftwerk in Brunsbüttel

Geschrieben am 07-05-2010

Berlin/Kiel/Brunsbüttel (ots) - Gemeinsame Pressemitteilung

Deutsche Umwelthilfe, BUND und Privatperson reichen Klageantrag
gegen Bebauungsplan für Steinkohlekraftwerk an der Elbe ein - Plan
verstößt gegen europäische und nationale Umwelt- und
Gesundheitsschutzvorgaben - Realisierung des Kohlekraftwerks energie-
und klimapolitisch unverantwortlich und baurechtlich höchst
zweifelhaft

Die Deutsche Umwelthilfe e.V (DUH) und der Landesverband
Schleswig-Holstein des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) sowie ein Anwohner aus Brunsbüttel haben als Klagegemeinschaft
heute beim Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein den Antrag auf
Normenkontrolle gegen den Bebauungsplan Nr. 55 "Kohlekraftwerk
nördlich des Elbehafens" der Stadt Brunsbüttel eingereicht. Der
Bebauungsplan soll die Grundlage für die Ansiedlung des geplanten
Steinkohlekraftwerks von GDF SUEZ auf dem Gelände nördlich des
Elbehafens sein. Mit dem Normenkontrollantrag wird die
planungsrechtliche Grundlage für das 800 MW-Kraftwerk angegriffen.

Vertreten wird die Klagegemeinschaft von dem Berliner Rechtsanwalt
Peter Kremer und der Hamburger Rechtsanwältin Roda Verheyen, die auch
schon in den Genehmigungsverfahren zu den Kohlekraftwerken von GDF
SUEZ und SüdWestStrom in Brunsbüttel tätig sind. Der Klageantrag
stützt sich auf eine lange Liste von Fehlern und Mängeln im
Bebauungsplan:

Die Lärm-Grenzwerte werden überschritten. Bei dem benachbarten
Gebiet Brunsbüttel-Süd handelt es sich nach Auffassung der Kläger
nicht um ein Gewerbegebiet und auch nicht um ein Mischgebiet, wie die
Stadt behauptet, sondern um ein allgemeines oder reines Wohngebiet.
Damit gelten sehr viel schärfere Grenzwerte, die von dem
Kohlekraftwerk keinesfalls eingehalten werden. Dies betrifft
insbesondere den Lärm. Selbst wenn es bei der planungsrechtlichen
Einordnung von Brunsbüttel-Süd als Mischgebiet bleiben sollte, ist
die Lärmberechnung in den Planungsunterlagen fehlerhaft. Unabhängig
vom Gebietscharakter wird es zu einer Überschreitung von
Lärm-Grenzwerten kommen.

Gleiches gilt für die Feinstaub-Grenzwerte. Auch hier liegen keine
belastbaren Untersuchungen vor, wonach die Feinstaub-Grenzwerte
künftig eingehalten werden können. Vielmehr würde es mit der
Inbetriebnahme des Kraftwerks zu einer Überschreitung der zulässigen
Grenzwerte kommen. Dies ist aus Sicht der Kläger besonders
gravierend, da mit Feinstaub bekanntermaßen erhebliche
Gesundheitsgefährdungen insbesondere für Kinder und ältere Menschen
verbunden sind.

Die Stadt Brunsbüttel hat nach Ansicht der Kläger keine
Konsequenzen aus dem sog. "Datteln-Urteil" gezogen. In der
Entscheidung zu dem E.ON-Kraftwerk in Datteln, mit dem der
entsprechende Bebauungsplan in Nordrhein-Westfalen aufgehoben wurde,
wird auf das unzulässige Nebeneinander eines sog. Störfallbetriebs
mit benachbarter Wohnbebauung abgestellt. Nach Ansicht der Kläger
muss ein Mindestabstand von 1.500 m eingehalten werden. Der
tatsächliche Abstand beträgt in Brunsbüttel aber nur rund 400 m.

Seitens der Umweltverbände wird in erster Linie die
Beeinträchtigung von europarechtlich geschützten Schutzgebieten und
Tier- und Pflanzenarten geltend gemacht.

"Einer der Hauptfehler in der Planung der Stadt liegt darin, dass
die Auswirkungen der Kühlwasserentnahme und -wiedereinleitung in die
Elbe in dem Bebauungsplan-Verfahren nicht berücksichtigt wurden",
betont Jürgen Quentin, Umweltjurist bei der DUH. "Der Betrieb des
Kraftwerks hat erhebliche Auswirkungen auf seltene und vom Aussterben
bedrohte Fischarten, aber auch auf Speisefische wie Aal und Stint,
die die Existenzgrundlage für die Elbfischer sind", sagt Quentin.
Gravierende Auswirkungen des Kraftwerks lässt die Stadt in dem Plan
außer Acht, obwohl neue Rechtsvorgaben der EU für Gewässer und
Lebewesen ein Verschlechterungsverbot der Quecksilberbelastung
zwingend vorsehen. Untersuchungen zeigen, dass der Quecksilbergehalt
in Fischen der Elbe schon heute ein Vielfaches über den Grenzwerten
liegt. "Jeglicher zusätzliche Schwermetalleintrag in die Elbe
verstößt gegen europäisches Recht und ist folglich unzulässig", sagt
Quentin. Die Auswirkungen des Quecksilbereintrags ist auch einer der
Hauptkritikpunkte im immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungsverfahren. Weder GDF SUEZ noch die Behörden haben hierauf
bisher zufriedenstellende Antworten gefunden.

BUND-Landesgeschäftsführer Hans-Jörg Lüth weist darauf hin, dass
von dem Steinkohlekraftwerk erhebliche Mengen Stickstoff ausgestoßen
werden, die in benachbarten FFH-Gebieten empfindliche Pflanzen
zerstören werden. "Diese Pflanzengesellschaften stehen unter dem
höchsten europäischen Schutz. Wegen der gravierenden
Beeinträchtigungen ist der Kraftwerksbau unverantwortlich und von
vornherein unzulässig", sagt Lüth. Auch seltene Zugvögel und
Fledermäuse würden mit dem Bau des Kraftwerks massiv beeinträchtigt.

Der Bebauungsplan leidet auch an zahlreichen formellen Fehlern.
Besonders gravierend ist, dass der Plan hinsichtlich der
Umweltauswirkungen des Steinkohlekraftwerks nur allgemeine Aussagen
enthält und bezüglich der konkreten Beeinträchtigungen auf das
nachfolgende immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren für das
Steinkohlekraftwerk verweist. Dass dies unzulässig ist, wurde im
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zum Kohlekraftwerk Datteln
festgestellt.

Auch energie- und klimapolitisch ist der Kraftwerkbau
unverantwortlich. "Mehr als die Hälfte der eingesetzten Energie geht
ungenutzt in die Elbe und belastet dort das Ökosystem. Stattdessen
könnten zehntausende Haushalte in der Region mit der anfallenden
Wärme versorgt werden", stellt Lüth fest. "Wer heute noch
Kohlekraftwerke baut, behindert über Jahrzehnte die dringend
notwendige Energiewende hin zu einer 100%igen Versorgung mit
Erneuerbaren Energien. Dazu gibt es keine Alternativen."

Die Kraftwerksplanungen in Brunsbüttel stoßen auf massiven
Widerstand vor Ort, weshalb die Bürgerinitiative Gesundheit und
Klimaschutz Unterelbe/Brunsbüttel den Klageantrag ausdrücklich
begrüßt. "Wir akzeptieren nicht, wie die Stadt mit uns Bürgern
umgeht. Wir kämpfen mit aller Entschiedenheit gegen alle hier
geplanten Kohleblöcke. Die Marsch um Brunsbüttel ist eine äußerst
fruchtbare und landwirtschaftlich geprägte Region. Wir können es uns
nicht leisten, dass neben Millionen Tonnen CO2 auch noch riesige
Mengen an Schwermetallen Jahr für Jahr wie ein Leichentuch über die
Landschaft ausgebreitet werden, in den Nahrungskreislauf gelangen und
Mensch und Umwelt krank machen," sagt BI-Sprecher Stephan Klose.

DUH und BUND rechnen mit einer Verfahrensdauer von einem Jahr.
Sollte das Oberverwaltungsgericht in Schleswig der Argumentation der
Kläger folgen, würde die planungsrechtliche Grundlage für das
beantragte Kohlekraftwerk entfallen. Falls für das Kohlekraftwerk vor
der Entscheidung über den Normenkontrollantrag erste Genehmigungen
erteilt werden, müssen diese nachträglich wieder aufgehoben werden.

Die Stadt Brunsbüttel geht in diesem Verfahren ein erhebliches
Haftungsrisiko ein. Bereits im Vorfeld des Beschlusses über den
Bebauungsplan wurde die Stadt in einem Rechtsgutachten darauf
hingewiesen. Sie hielt trotzdem an der Planung fest. Jetzt wird das
Gericht entscheiden, ob in Brunsbüttel ein zweites "Planungschaos
Datteln" entsteht.

Originaltext: Deutsche Umwelthilfe e.V.
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/22521
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_22521.rss2

Pressekontakt:
Jürgen Quentin, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4, 10178
Berlin, Tel.: 030 2400867-95, E-Mail: quentin@duh.de

Hans-Jörg Lüth, Geschäftsführer BUND Landesverband Schleswig-Holstein
e.V., Lerchenstraße 22, 24103 Kiel,
Tel. 0431 66060-20, E-Mail: hans-joerg.lueth@bund-sh.de

Peter Kremer, Rechtsanwalt, Heinrich-Roller-Straße 19, 10405 Berlin,
Tel. 030 28876783, E-Mail: rechtsanwalt@peter-kremer.de

Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik und Presse, Deutsche Umwelthilfe
e.V. Hackescher Markt 4, 10178 Berlin
Mobil: 0171 5660577, Tel.: 030 2400867-21, E-Mail: rosenkranz@duh.de


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