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Berliner Morgenpost: Mehr Herz, mehr Kraft, mehr Einigkeit - Leitartikel

Geschrieben am 07-05-2010

Berlin (ots) - Wohl kann einem da wirklich nicht zumute sein. Wenn
Bundeskabinett, Bundestag, Bundesrat, schließlich auch noch
Bundespräsident ein zig Milliarden schweres Gesetz im Schweinsgalopp
durch die Instanzen treiben, dann ist das weiß Gott kein Ausdruck
besonders effizienten demokratischen Handelns. Es ist die pure Panik,
die Legislative wie Exekutive antreibt. Kein gutes Zeichen für das,
was in den kommenden Wochen, Monaten, Jahren auf uns zukommt. Umso
wichtiger ist es, schnell zu lernen aus dieser erneuten schweren
Krise, die womöglich nicht die letzte sein wird. Das Gefühl, dass die
Dinge in der globalisierten Weltwirtschaft noch immer aus dem Ruder
laufen, dass Politiker wie Manager nicht Antreiber sind, sondern
Getriebene, kommt jedenfalls nicht von ungefähr. Wenn es für möglich
gehalten wird, dass ein schnöder Tippfehler die Börse in New York und
damit die Volkswirtschaften weltweit Richtung Abgrund manövrieren
kann, dann ist das ein deutlicher Hinweis: Den entfesselten Kräften
der Finanzwirtschaft, die offenbar unter den gegenwärtigen
Spielregeln kaum noch zu bändigen sind, muss etwas entgegengesetzt
werden. Das kann nur auf internationaler Ebene gelingen. Europa muss
jetzt handeln, möglichst im Verbund mit den großen Volkswirtschaften
Amerikas und Asiens. Insofern war die gestrige Bundestagsdebatte über
das Für und Wider einer solitären Finanzmarktabgabe hierzulande
gänzlich überflüssig und eher dem Wahltag in Nordrhein-Westfalen
geschuldet als ernsthaftem Bemühen um Krisenbewältigung. Fast schon
beruhigend, dass man sich solche rituellen Wahlkampfmätzchen noch
glaubt leisten zu können. Ein informelles Jamaika-Bündnis im
Bundestag, ausgerechnet zwei Tage vor dem Showdown in Düsseldorf,
Schwarz-Gelb-Grün für Hellas - das hat ja schon wieder was. Man darf
sich trotzdem nicht zu lange aufhalten mit derlei Spielchen. Die
Griechenland-Krise und das kaum zu übertünchende allgemeine
Unwohlsein über das Hilfspaket zeigen: Europa ist noch längst nicht
endgültig geeint. Im Gegenteil: Europa zerfällt auch ganz schnell
wieder. Die EU Brüssels ist Lichtjahre entfernt vom gelebten Europa
der Nationen. Es gibt noch immer keine verinnerlichte Idee vom Sinn
eines geeinten Europas und seiner Institutionen. Europa ist nicht
verankert in den Herzen der Menschen. Sehr viele von ihnen können
oder wollen nicht nachvollziehen, dass ihr Wohl und Wehe davon
abhängt, ob sich in Griechenland die Vernunft durchsetzt oder am Ende
doch die Wut der Straße. Letzteres wäre ein kaum zu bewältigender
Schlag. Es war die für Zersetzung nicht eben berühmte "Frankfurter
Allgemeine Zeitung", die gestern die Frage aufwarf, ob Europa nicht
auch mal einen Rückschritt verkraften könne, diesen vielleicht sogar
benötige. Angesichts der Lage ist diese Frage leicht zu beantworten:
Nein. Im Gegenteil. Europa benötigt Fortschritt, mehr
Zusammenwachsen, mehr Identität, mehr Kraft. Gerade in diesen
Krisenzeiten.

Originaltext: Berliner Morgenpost
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/53614
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_53614.rss2

Pressekontakt:
Berliner Morgenpost
Chef vom Dienst
Telefon: 030/2591-73650
bmcvd@axelspringer.de


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