Westdeutsche Zeitung: Regierungsbildung in Großbritannien = von Jürgen Mohr-Schumann
Geschrieben am 12-05-2010 |
Düsseldorf (ots) - Gordon Browns Brautsuche hat nicht lange gedauert. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den Liberaldemokraten zog der Labour-Premier die Konsequenzen und räumte gerade mal knapp eine Woche nach der verlustreichen Unterhauswahl das Feld für seinen konservativen Nachfolger David Cameron. Bislang durch das Mehrheitswahlrecht an klare Verhältnisse gewöhnt, müssen sich die Briten erstmals seit Jahrzehnten mit dem Phänomen einer Koalition auseinandersetzen. Was für uns Kontinentaleuropäer politische Routine ist, müssen die Insulaner erst lernen: Verhandlungen, bei denen man eigene Positionen zumindest vorübergehend aufgeben muss, um eine stabile Regierung auf die Beine zu stellen. David Cameron, der neue Hausherr von Nummer 10 Downing Street, versprühte gestern jedenfalls Optimismus, versprach den Beginn einer neuen Art von Politik und muss doch wissen, dass er sich mit den Liberaldemokraten keinen leichten Partner ins Haus geholt hat. Denn traditionell stehen die Liberaldemokraten, die 1988 aus dem Zusammenschluss der Liberal Party und der Sozialdemokraten hervorgegangen waren, eher Labour denn den Tories nahe. Sie sind nicht die britische Version der deutsche FDP, sondern stehen eher links und haben eine vernehmbare grüne Ausrichtung. Eine Kröte scheint Cameron bei den Verhandlungen schon geschluckt zu haben: Das britische Wahlsystem, das die kleinen Parteien benachteiligt, soll auf den Prüfstand. Eine der zentralen Forderungen der Liberaldemokraten im Wahlkampf ist damit zumindest auf dem Papier erfüllt. Viel schwieriger wird es in der jungen Ehe werden, wenn das Thema Europa ins Haus steht. Die Konservativen stehen einem supranationalen Europa eher skeptisch gegenüber, während die Liberaldemokraten sich bislang sogar die Einführung des Euro auf der Insel vorstellen konnten. Der dickste Brocken für die Mannschaft um Cameron/Clegg wird allerdings der unpopuläre Kampf gegen die riesige Verschuldung des Landes werden, die mit der Griechenlands vergleichbar ist. Downing Street muss den britischen Bürgern klar machen, dass die Insel jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt hat und nur ein knallharter Sparkurs aus dem Dilemma führen kann.
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