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Weser-Kurier: Im Zweifel für den Staatsanwalt: Anklagevertreter verstrickt sich ins Rotlichtmilieu, doch seine Verfehlungen bleiben ungeahndet

Geschrieben am 13-05-2010

Bremen (ots) - Die Staatsanwaltschaften in Hannover und Verden
haben schwere Verfehlungen des heutigen Hannoveraner
Oberstaatsanwalts Uwe Görlich ungeahndet gelassen. Sie drehten und
wendeten die Verdachtsmomente, Aussagen, Indizien und Beweise gegen
ihren Kollegen so lange, bis sie ihn am Ende nicht mehr anzuklagen
brauchten. Das berichtet der WESER-KURIER in Bremen in seiner
Freitag-Ausgabe. Die Justizaffäre kam viele Jahre nicht ans Licht,
der Behördenapparat hielt dicht. In dem Verfahren gegen Görlich
rühmte sich der damalige Verdener Oberstaatsanwalt Roland Herrmann
gar, im April 2001 "Rechtsanwälte vertröstet" und die Presse "klein
gehalten" zu haben. Das belegen Dokumente, die dem WESER-KURIER
vorliegen. Verdens damals bereits amtierender leitender
Oberstaatsanwalt Helmut Trentmann will davon nichts wissen. Seine
Behörde habe "zu keiner Zeit versucht, auf die
Presseberichterstattung einzuwirken", teilt er auf Anfrage mit. Gegen
Görlich, damals noch Staatsanwalt in Hannover, war die Liste der
Vorwürfe außergewöhnlich lang: Er hatte sich ab Mai 2000 intensiv für
die Belange der Bordellbetreiberin Silke F. (Name geändert) und ihres
Etablissements eingesetzt. F. saß damals im Vechtaer Frauengefängnis
eine mehrjährige Haftstrafe wegen Betruges ab. Görlich ermöglichte es
ihr, trotz Haft ihre Geschäfte in Hannover weiterzuführen. Er lud sie
zu mehrtägigen "Vernehmungen" nach Hannover vor und intervenierte bei
einem für Strafunterbrechungen zuständigen Kollegen. In F.s Bordell
war der Anklagevertreter damals häufig zu Gast, angeblich um gegen
die Hannoveraner Kiezgröße Frank Hanebuth und dessen Rockerbande
"Hell's Angels" zu ermitteln. Das schriftliche Fixieren möglichst
jeden Details ist das A und O staatsanwaltlichen Arbeitens, doch
Görlich dokumentierte seine angeblichen Ermittlungen kaum. Er
verfasste lediglich wenige inhaltsarme Vermerke,
Vernehmungsprotokolle und Notizzettel. Für gewöhnlich ermittelt vor
Ort auch kein Staatsanwalt im Alleingang, er arbeitet mit Hilfe der
Polizei. Görlich aber informierte die Beamten vielfach nicht einmal
über seine Aktivitäten. Angeblich, weil die Polizeidirektion Hannover
vom Milieu unterwandert, korrupt und nicht vertrauenswürdig sei. Umso
ausführlicher sprach Görlich aber mit F. und ihren Prostituierten.
Ihnen verriet er sogar juristische Kniffe, die bei Polizeikontrollen
illegale Prostitution legal erscheinen lassen sollten. Neben diesen
Vorwürfen gegen Görlich gab es Hinweise auf Verfehlungen von
mindestens zwei weiteren Hannoveraner Anklagevertretern. Da hätte es
der Objektivität halber nahegelegen, das Verfahren an eine andere
Staatsanwaltschaft abzugeben. Aber Hannovers leitender
Oberstaatsanwalt Manfred Wendt ließ ab November 2000 zunächst seine
eigene Behörde ermitteln. Und er vertraute die pikante Angelegenheit
ausgerechnet einem ebenfalls involvierten damaligen Oberstaatsanwalt
an. Erst als sich in Hannover die Gerüchte mehrten, die
Staatsanwaltschaft halte ihre Hand schützend über Silke F.s Bordell,
gab Wendt das Verfahren schließlich nach Verden ab. Doch auch dort
stießen die beschuldigten Staatsanwälte auf Verständnis,
Großzügigkeit und Diskretion. Der damalige Oberstaatsanwalt Herrmann
hinterfragte die zahlreichen widersprüchlichen Aussagen in dem
Verfahren kaum, blies geplante Durchsuchungsaktionen kurzfristig
wieder ab und ließ sogar offensichtlich unwahre Erklärungen als
"plausibel" auf sich beruhen. Am 4. Dezember 2001 stellte Herrmann
das Verfahren schließlich ein: Aus seiner Sicht erfüllten Görlichs
Verfehlungen entweder keinen Straftatbestand, oder sie waren nicht
ausreichend zu belegen. Verdens leitender Oberstaatsanwalt Trentmann
bestätigt das. Nach "umfassender Prüfung" seien die Ermittlungen
mangels "Tatverdachts" eingestellt worden. Staatsanwalt Görlich blieb
nicht nur strafrechtlich unbehelligt, er wurde nicht einmal
disziplinarrechtlich belangt. Er wechselte lediglich innerhalb der
Anklagebehörde die Abteilung. Bis heute hält die Staatsanwaltschaft
Hannover daran fest, "dass sämtliche Vorgänge sowohl in der
Öffentlichkeit als auch von den für die Dienstaufsicht zuständigen
Stellen umfassend behandelt und überprüft worden sind". Auch der
Karriere ihrer Protagonisten tat die Affäre keinen Abbruch. Görlich
wurde zum Oberstaatsanwalt befördert und ist heute in Hannover für
Wirtschaftskriminalität zuständig. Herrmann hat es zum leitenden
Oberstaatsanwalt und Behördenleiter in Oldenburg gebracht.

Originaltext: Weser-Kurier
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/30479
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_30479.rss2

Pressekontakt:
Weser-Kurier
Produzierender Chefredakteur
Telefon: +49(0)421 3671 3200
chefredaktion@Weser-Kurier.de


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