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Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zur Finanzmarktsteuer

Geschrieben am 18-05-2010

Bielefeld (ots) - Die Bundesregierung lebt noch. Mit dem
Beschluss, sich für eine Finanzmarktsteuer einzusetzen, haben CDU,
CSU und FDP gestern gezeigt, dass sie auch in umstrittenenen Fragen
zu einer gemeinsamen Linie finden können. Zur Erfolgsgeschichte aber
wird die späte Kehrtwende für Schwarz-Gelb freilich nicht mehr. Mal
wieder waren CDU, CSU und FDP zu lange uneins, mal wieder hatte
Bundeskanzlerin Angela Merkel zu lange gezögert. SPD-Parteichef
Sigmar Gabriel kann sich freuen. In dieser Debatte waren und sind
einzig und allein die Oppositionsparteien, allen voran die
Sozialdemokraten, der Taktgeber. Der von ihnen erzeugte
innenpolitische Druck ist offensichtlich so beachtlich, dass die
Kanzlerin zum zweiten Mal in kurzer Folge die FDP überrollt. Erst das
Steuersenkungsversprechen einkassiert, nun plötzlich auf den Kurs
Richtung Finanzmarktsteuer eingeschwenkt. Wer Merkel kennt und weiß,
wie sehr sie darauf bedacht ist, ihre Partner in der Öffentlichkeit
nicht zu beschädigen, ahnt, in welch dramatischer Lage die Kanzlerin
sich und ihre Koalition wähnt. Bei Schwarz-Gelb herrscht Alarmstufe
Rot. Immerhin, so ließe sich einwenden, gibt es in der
Regierungszentrale noch ein Gespür dafür, was die Menschen in diesem
Land umtreibt. Die Verrücktheiten, Verirrungen und Verbrechen an den
internationalen Finanzmärkten tun es allemal. Längst hat sich die Wut
breitgemacht. Nun muss die Politik aufpassen, dass sich nicht auch
das Gefühl totaler Ohnmacht breitmacht. Was allerdings am Ende aus
dem gestern gefassten Beschluss wird, ist nur schwer vorherzusagen.
Zum einen haben Union und FDP offengelassen, ob es eine
Finanztransaktionssteuer oder eine Finanzaktivitätssteuer geben soll.
Das jedoch ist weit mehr als ein kleiner Unterschied, sowohl in den
Konsequenzen für die Anleger - übrigens auch für die ehrbaren - als
auch im zu erwartenden Einnahmevolumen. Zweitens sagt der
Koalitionsentscheid für den Moment nicht mehr, als dass sich die
deutsche Regierung auf europäischer Ebene und im Konzert der G20 für
eine internationale Finanzmarktsteuer einsetzen will. Keineswegs
auszuschließen ist, dass dieses Bemühen scheitert. Gegner einer
solchen Regulierung gibt es auf nationaler, europäischer und globaler
genug, und sie sind durchaus einflussreich. Dahinter können sich
Angela Merkel und ihre schwarz-gelbe Regierung fortan nicht mehr
verstecken. Die Kanzlerin ist nicht als Moderatorin, sondern als
Antreiberin gefragt. Das Zeug zu dieser Rolle hat sie, gerade die
internationale Bühne liegt ihr. Doch dabei wird die Kanzlerin voll
ins Risiko gehen müssen, was sie nur äußerst selten und ungern tut.
Scheitert die Einführung einer wirksamen Finanzmarktsteuer, wird sich
das auch die deutsche Kanzlerin ankreiden lassen müssen. Und zwar
nicht nur von der Opposition, sondern vor allem vom deutschen Volk

Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2

Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261


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