WAZ: Das hätte Köhler nicht tun dürfen. Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 31-05-2010 |
Essen (ots) - Horst Köhler war ein beliebter Bundespräsident.
Nicht in der politischen Klasse Berlins, nicht bei Politikern, die
ihn für unprofessionell hielten, nicht bei Hauptstadt-Journalisten,
die ihm seine phasenweise Tapsigkeit ankreideten. Beliebt war Köhler
im Volk. Und genau deswegen hätte er nicht zurücktreten dürfen.
Denn was wird es wohl sagen, das Volk? Wahrscheinlich dies: Da
sieht man es mal wieder, anständige Menschen wie Köhler haben in
diesem Politiker-Haifischbecken keine Chance. Es gibt diese Reflexe
gegen die Parteien-Demokratie, und sie sind verbreitet. Gerade von
einem Staatsoberhaupt muss man erwarten, dagegen anzukämpfen - zum
Schutz der Demokratie. Vielleicht wird man darum sagen müssen, dass
der Präsident aus sehr persönlichen Gründen einen Schaden für das
Gemeinwesen riskiert.
Was sind diese Gründe? Ganz sicher ist es nicht der Vorwurf, der
Präsident habe im Zusammenhang mit Bundeswehr-Einsätzen quasi gegen
das Grundgesetz argumentiert. Ganz sicher ist es auch nicht die
Kritik an ihm, denn die kam lediglich aus der zweiten Reihe: Ein
Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD, ein Außenpolitiker der
Union, ein Verfassungsrechtler. Und dann sollte Deutschlands
Spitzenmann die Häme des "Spiegel" ertragen können. Die Hamburger
würdigten Köhler zu "Horst Lübke" herab und gönnten sich die
Erinnerung an den zweiten Bundespräsidenten, der bei einem
Afrika-Besuch sagte: "Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Neger . .
."
Entscheidend für Köhlers Schritt war nicht Kritik, sondern
unterlassene Hilfeleistung. Der Außenminister oder die Kanzlerin
hätten Köhler sehr leicht helfen können. Sie hätten bloß sagen
müssen, Köhler habe mit den wirtschaftlichen Interessen, die einen
Bundeswehr-Einsatz auch begründen könnten, den Somalia-Einsatz gegen
die Piraten gemeint. Allein, beide schwiegen. Ausgerechnet jene, die
Köhler einst geholt hatten. Der Präsident, ein sehr empfindlicher
Mensch, musste dies als Misstrauensvotum begreifen.
Merkel weiß selbst, dass man ihr nun den Vorwurf machen wird,
gute, eckige, eigenständige Köpfe nicht halten zu können, im
Gegenteil, zu vergrätzen. Nach Merz und Koch nun Köhler; sich in
ihrem "Girls-camp", ergänzt nur um ihren Fraktionschef und ihren
Kanzleramtsminister, einzumauern und gegen die Außenwelt
abzuschotten.
Umso überzeugender und schneller muss sie den Nachfolger
präsentieren. Jemanden, der öffentlich überzeugen kann, der
sympathisch ist und erfahren. Und der, falls Merkel das überhaupt
noch will, für Schwarz-Gelb steht. Mit anderen Worten: Gibt es
überhaupt einen Köhler-Nachfolger, der nicht Christian Wulff heißt?
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/55903
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Pressekontakt:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
271434
weitere Artikel:
- Neue Presse Hannover: Kommentar der "Neuen Presse" (Hannover) zu Köhler Hannover (ots) - Wird Margot Käßmann Bundespräsidentin? Dieser
Vorschlag der Niedersachsen-SPD ist ebenso überzogen wie der
Rücktritt Horst Köhlers. Zu Recht hatte es Kritik nach den
unglücklichen Interview-Äußerungen des Präsidenten gegeben. Eine
missverständliche Formulierung über das deutsche Engagement in
Afganhistan und ein unglückliches Krisenmanagement, gestern dann der
für alle überraschende Rücktritt. Hier wirft einer die Sachen hin,
der monatelang nicht mehr in Erscheinung getreten war und am Ende nur
noch kraftlos und mehr...
- Südwest Presse: Kommentar zu Köhler Ulm (ots) - Der verstörende Rücktritt des Bundespräsidenten
markiert den Schlusspunkt eines großen Missverständnisses. Angela
Merkel und Guido Westerwelle, die den Überraschungs-Kandidaten einst
im Wohnzimmer des FDP-Chefs aus dem Hut zauberten, haben vor sechs
Jahren geglaubt, Horst Köhler als ideellen Generalbevollmächtigten
der schwarz-gelben Koalition etablieren zu können, noch bevor Union
und Liberale ihre Traumhochzeit im vergangenen Herbst endlich feiern
konnten. Doch so wenig sich das höchste Staatsamt zur
parteipolitischen mehr...
- WAZ: Blutiger Angriff auf Schiffskonvoi - Israel isoliert sich. Leitartikel von Gil Yaron Essen (ots) - Israelis sind oft sehr stolz auf ihren Staat,
manchmal zu Recht. Wer die Geschichte Israels verfolgt, stößt auf
bewundernswerte Beispiele von Schläue. In 62 Jahren wurde aus dem
rückschrittlichen Land der Holocaust-Überlebenden eine technologische
Supermacht, die stärkste Militärmacht im Nahen Osten. Und das trotz
andauernden Konflikts mit der arabischen Welt.
Die blutige Übernahme der "Hilfsflottille" im Mittelmeer und die
palästinensische Reaktion mehren den Verdacht, dass Israels
Staatsführung von jeder Klugheit mehr...
- Westdeutsche Zeitung: Köhler-Rücktritt = von Martin Vogler Düsseldorf (ots) - Wenn Politiker Konsequenzen ziehen, bis hin zum
Rücktritt, dann ist es meist angebracht, ihnen wegen ihrer
Gradlinigkeit Respekt zu zollen. Was leider bei Horst Köhler schwer
fällt. Denn er verlässt überstürzt das Schloss Bellevue. So etwas gab
es noch nie, ist auch mit dem vorzeitigen Ausscheiden Heinrich Lübkes
1969 nicht vergleichbar. Köhler muss sich fragen lassen, ob er nicht
reichlich verantwortungslos handelt. Denn mit seiner Flucht entwertet
er, der stets Achtung vor dem Staatsoberhaupt gefordert hat, nämlich mehr...
- Landeszeitung Lüneburg: zu Köhler: Lüneburg (ots) - Horst Köhler erfreut sich in der Bevölkerung
großer Beliebtheit und Wertschätzung. Das mag auch daran liegen, dass
mit ihm vor sechs Jahren ein Nicht-Politiker ins höchste Staatsamt
gelangt war, der sich nicht einfach vor die Parteienkarren spannen
ließ -- auch nicht vor den der CDU, deren Mitgliedsbuch er besitzt.
Ein ums andere Mal las der Bundespräsident Parteien, Politikern --
und auch der Regierung die Leviten. Ausdruck von Unabhängigkeit, die
viele Bürger im Politikgeschäft mit seiner Parteien- und
Fraktionsdisziplin, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|