BERLINER MORGENPOST: Das Ende der Politik auf Pump Gilbert Schomaker über die Sparklausur und die Folgen für Berlin
Geschrieben am 02-06-2010 |
Berlin (ots) - Es ist die Stunde der ehrlichen Politik. Nie zuvor
in der Geschichte der Bundesrepublik waren die Schulden höher, war
die Finanznot größer als heute. 60 Milliarden Euro muss die
Bundesregierung strukturell einsparen. Strukturell - das heißt
dauerhaft. Das ist nicht nur eine finanzpolitische Notwendigkeit
aufgrund der allgemeinen Haushaltslage. Die Einsparvorgabe ergibt
sich aus der im Grundgesetz festgeschriebenen Schuldenbremse für Bund
und Länder. Etwas vereinfacht auf den Punkt gebracht bedeutet sie:
Bund und Länder dürfen nicht mehr ausgeben, als sie einnehmen. Wenn
die Bundesregierung am Wochenende zur Sparklausur zusammenkommt, geht
es also nicht nur um einen politischen Neustart der schwarz-gelben
Regierungskoalition - es geht um einen Epochenwechsel in der
Haushaltspolitik, ein Ende der Politik auf Pump. Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble (CDU) ließ zwar gestern verlauten, das Sparpaket
sei keine "furchtbare Bedrohung". Aber das war nur im Verhältnis zu
anderen europäischen Ländern gemeint. Was am Wochenende auf die
Republik zukommt, wird vielen Bürgern wehtun. Doch noch ist der
Mentalitätswechsel nicht bei allen Politikern angekommen.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) lehnte gestern Kürzungen
in seinem Ressort ab. Ganz anders Bundesverteidigungsminister
Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der massive Einsparungen bei der
Bundeswehr angekündigt hat. Auch Bundesfamilienministerin Kristina
Schröder (CDU) erwägt schon Einsparungen beim Elterngeld. Zudem
stehen diverse Steuerermäßigungen und Subventionen auf dem Prüfstand,
die mehr als sinnlos erscheinen. Wer kann in Zeiten, in denen das
Geld knapp ist, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Skilifte
rechtfertigen? Für den Einzelfall gibt es sicherlich immer eine mehr
oder weniger sinnvolle Begründung. In der Summe kommen die
Vergünstigungen den Staat aber teuer, mittlerweile zu teuer zu
stehen. Wenn Milliarden Euro eingespart werden müssen, wird das auch
an der deutschen Hauptstadt nicht spurlos vorbeigehen. Jetzt ist das
Stadtschloss auf die Streichliste der Haushälter geraten. Es ist
richtig, dass es politisch kaum zu vermitteln ist, in diesen Zeiten
für über 550 Millionen Euro einen repräsentativen Neubau zu beginnen.
Zu einer ehrlichen Politik gehört aber auch, den engagierten
Menschen, die jetzt schon Millionen Euro an Spenden für das
Humboldt-Forum gegeben oder zugesagt haben, zu erklären, wann denn
dann mit dem Bau des Stadtschlosses begonnen wird. Bei der Klausur am
Wochenende geht es nicht nur um pragmatisches Streichen. Das
strukturelle Sparen ist kein Selbstzweck. Es geht um die Eindämmung
einer drohenden Inflation, um einen starken Euro - und um eine
Vision. Wenn die Politik es schafft, eine Perspektive, ein Ziel
vorzugeben, dann werden die Bürger bereit sein, Opfer zu bringen.
Originaltext: BERLINER MORGENPOST
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