Neues Deutschland: zum Problemstau der schwarz-gelben Koalition
Geschrieben am 04-06-2010 |
Berlin (ots) - Wer zu Prokrastination neigt, verschiebt
unangenehme Aufgaben auf einen späteren Termin. Da diese Person auch
den verstreichen lässt, nimmt der Druck so stark zu, dass sie gar
nicht mehr handlungsfähig ist. Bei Schwarz-Gelb ballte sich am
Freitag die Aufschieberei: Pauschaler Zusatzbeitrag zu den
Krankenkassenbeiträgen? Entscheidung vertagt. Längere AKW-Laufzeiten?
Entscheidung vertagt. Milliardenschwere Bürgschaft für den Autobauer
Opel? Entscheidung vertagt. Kürzung der Solarförderung? Entscheidung
(auch wegen Widerstands unionsgeführter Länder im Bundesrat) vertagt.
Seit der desaströsen NRW-Wahl versuchen sich die einzelnen Interessen
und Lager innerhalb des schwarz-gelben Bündnisses noch stärker in
Eigenprofilierung und Muskelspielen, was zu einer wechselseitigen
Blockade selbst bei bislang klaren schwarz-gelben Projekten wie der
AKW-Laufzeitverlängerung führt. Die CSU-Granden setzen mit Vorliebe
am schwächsten Glied der Regierung an: FDP-Gesundheitsminister
Philipp Rösler, dem nicht mal mehr Rücktrittsandrohungen helfen, um
etwas durchzubringen. Am Wochenende bei der Sparklausur, da sind sich
mal alle einig, soll der Knoten aber platzen - auch deshalb haben
sich so viele Koalitionspolitiker in eine wahre Streicheuphorie
hineingesteigert. Prokrastination ist im wirklichen Leben eine
psychische Störung mit oft schlimmen Konsequenzen für den
Betroffenen, die behandelt werden muss. Der Bundesregierung würde man
aber angesichts der fatalen Richtung der immer noch geplanten
Entscheidungen eine anhaltende Kollektiv-Prokrastination wünschen -
bis zum nächsten Wahltermin.
Originaltext: Neues Deutschland
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