Westdeutsche Zeitung: Die Forderung nach mehr Steuern für Reiche ist Populismus - Klassenkampfrhetorik ist fehl am Platze Von Lothar Leuschen =
Geschrieben am 08-06-2010 |
Düsseldorf (ots) - In schweren Zeiten wie diesen ist
Klassenkampfrhetorik ebenso wenig geeignet, vernünftige Lösungen
herbeizuführen wie Stammtischparolen es sind. Von der "spätrömischen
Dekadenz" hat sich FDP-Chef Guido Westerwelle bis heute nicht erholt.
Zu plump der Vorwurf im Februar gegen jene, die sich vermeintlich in
der sozialen Hängematte ausruhen, zu oberflächlich die Argumentation.
Dabei weiß jeder, dass es diese Menschen in Deutschland ebenso gibt
wie Steuerhinterzieher, welche die Logistik eines fast perfekt
ausgestatteten Staates nutzen, sich an dessen Finanzierung aber nicht
beteiligen wollen.
Wenn es auch harmloser klingt, passt die Forderung der Opposition
danach, die sogenannten Besserverdienenden zur Kasse zu bitten,
dennoch zur überflüssigen Dekadenz-Diskussion. Denn bei genauerer
Betrachtung erweist sich die Forderung von SPD und Linken als ebenso
populistisch und oberflächlich wie Westerwelles Pauschalurteil über
die Empfänger von Transferleistungen.
Die Wahrheit ist heute und schon seit langem, dass das Drittel der
Gut- und Bestverdiener in Deutschland mehr als 60 Prozent der
Finanzierungslasten des Staates bestreiten. Das sind etwa 300
Milliarden Euro im Jahr. Anders ausgedrückt: Wer in Deutschland
angestellt ist und im Monat etwa 10 000 Euro verdient, der muss je
nach Steuerklasse und Familienstand bis zu 4400 Euro abgeben. Auch
das gehört zur Wahrheit, auch das gehört zur Diskussion.
Es ist natürlich richtig, dass das Leben leichter ist, wenn die
finanziellen Möglichkeiten nicht schon mit dem Stück Kuchen am
Nachmittag erschöpft sind. Aber den relativ hohen Einkommen der
Besserverdienenden stehen in der Regel längere Arbeitszeiten, mehr
Verantwortung und hoher Leistungsdruck gegenüber.
All das kann freilich kein Grund sein, bei jenen ohne jede
Rücksicht zu sparen, die ohnehin so gut wie nichts haben. Es sollte
aber alle Klassenkampfrhetoriker nachdenklich machen, die immer
gleich nach höheren Einkommensteuern oder Vermögensabgaben schreien,
wenn Kürzungen des Sozialhaushaltes angekündigt werden. Wer diesen
Staat in Zukunft noch finanzieren will, der darf nicht denen die
Freude an der Arbeit nehmen, die dazu mit ihren Steuern und Abgaben
den Löwenanteil beitragen.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung
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