Westfalen-Blatt: Das WESTFALEN-BLATT (Bielefeld) zum Thema Duisburg und die Medien
Geschrieben am 30-07-2010 |
Bielefeld (ots) - Seit einer Woche haben wir die Bilder vor Augen:
Junge Leute, die sich auf eine riesige Party freuen, und deshalb
bereit sind, den Weg durch den Tunnel zu nehmen. Ein paar hundert
Meter noch bis zur Fete des Jahres. Seit einer Woche sehen wir die
Bilder, und wir kennen die Folgen: 21 Menschen sind tot, mehr als 500
wurden verletzt. Wer in Duisburg dabei war, wird ihr Leiden und ihr
Sterben vielleicht ein Leben lang vor Augen haben. Allein mehr als
300 der eingesetzten Polizisten sind traumatisiert. Seit einer Woche
lautet die Frage: Warum konnte das passieren? Bis heute will keiner
der Verantwortlichen seine Verantwortung tragen. Das ist verheerend
und muss gebrandmarkt werden. Eine Aufgabe auch für die Medien. Doch
wir Journalisten täten zugleich gut daran, nach unserer Verantwortung
zu fragen. Auch wir haben einen Anteil an Duisburg. Warum? Wegen
Ottilie Scholz. Die 62-jährige SPD-Frau ist Oberbürgermeisterin von
Bochum und musste im vergangenen Jahr so etwas wie das mediale
Fegefeuer erleben. Scholz hatte die Loveparade wegen zu großer
Sicherheitsbedenken abgesagt. Es folgte ein Spießrutenlauf. Von
»Kapitulation« und »Blamage« war zu lesen. Ottilie Scholz stand als
Bedenkenträgerin am Pranger, die dem Ruf Bochums und des gesamten
Ruhrgebiets schadet. Ein Jahr später ist vieles gleich und doch
alles anders. Wieder äußerten Polizei und Rettungskräfte früh und
nachdrücklich Bedenken, vieles davon ist protokolliert. Ortskundige
schickten ihre düsteren Vorahnungen gar über das Internet in die
ganze Welt hinaus. Warum aber gelang es nicht, für all das eine
größere Öffentlichkeit herzustellen? Eine Öffentlichkeit, die sogar
eine Absage im letzten Moment nicht als Blamage, sondern als einen
Sieg der Vernunft interpretiert hätte? Es misslang auch deshalb, weil
Zeitungen, weil Radio- und Fernsehsender nicht genau genug hingehört
und hingesehen haben. Oft wird Journalisten vorgeworfen, zu kritisch
zu sein, das Negative zu suchen und herauszustellen. »Nur schlechte
Nachrichten sind gute Nachrichten«, heißt es dann. Diesmal aber
müssen wir uns vorwerfen, dass wir nicht kritisch genug waren. Im
Vorfeld hätte vermutlich ein Bruchteil der Aufmerksamkeit, die
Duisburg seit Samstag zuteil geworden ist, genügt, um das Schlimmste
zu verhindern. Das muss gesagt sein, auch weil man als Journalist im
Nachhinein leicht und ohne großes Risiko alles und jedes kritisieren
kann. Und auch deshalb, weil zu viele der nach der Katastrophe
veröffentlichten Berichte und Fotos dazu angetan waren, dem Leid der
Opfer und ihrer Angehörigen weiteres Leid hinzuzufügen. Eine Woche
ist es her, da begann in Duisburg ein Spektakel - laut und bunt und
fröhlich. Dieser Samstag wird ganz anders verlaufen. Nicht nur bei
der Trauerfeier in Duisburg wird es still werden. Dieser Samstag
sollte ganz dem Gedenken gehören. 21 Tote müssen allen eine Mahnung
sein - auch uns Journalisten.
Originaltext: Westfalen-Blatt
Digitale Pressemappe: http://www.presseportal.de/pm/66306
Pressemappe via RSS : http://www.presseportal.de/rss/pm_66306.rss2
Pressekontakt:
Westfalen-Blatt
Nachrichtenleiter
Andreas Kolesch
Telefon: 0521 - 585261
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