WAZ: Gabriel hat es gelesen, Merkel nicht Von der Arroganz der Macht - Leitartikel von Ulrich Reitz
Geschrieben am 20-09-2010 |
Essen (ots) - In diesen Tagen ist ein Unterschied deutlich
geworden zwischen Angela Merkel und Sigmar Gabriel. Die Kanzlerin,
die an der Entlassung Thilo Sarrazins als Bundesbanker mitwirkte, hat
gleichwohl sein Buch nicht gelesen. Bis heute nicht, sie will es auch
nicht mehr lesen. "Es ist alles gesagt", sagt sie. Das ist es aber
ganz entschieden nicht. Im Unterschied zu Merkel hat der SPD-Chef,
dem man gern allerhand Flüchtigkeit nachsagt, Sarrazins Buch
inzwischen wenigstens gelesen. Mehr als das: Er hat sich ernsthaft
und intellektuell damit auseinandergesetzt. Eine ganze Seite in der
Hamburger Zeit hat er vollgeschrieben und detailliert begründet,
weshalb er Sarrazin nicht mehr in der SPD sehen möchte. Er hat
differenziert zwischen dem Teil, in dem sich Sarrazin mit der
mangelnden Integration bestimmter Gruppen von Muslimen
auseinandersetzt und der einen Rauswurf weder aus der SPD noch der
Bundesbank rechtfertige, und dem Teil, in dem Sarrazin die eugenische
Debatte wiederzubeleben versucht und den Gabriel völlig zu Recht eine
"ungeheure intellektuelle Entgleisung" nennt. Die Kanzlerin
argumentiert, sie habe die Vorabdrucke gelesen im Spiegel und in
Bild, die seien, wie sie der FAZ sagte, "überaus aussagekräftig" und
"vollkommen ausreichend", um schon zwei Tage nach deren Erscheinen zu
urteilen, Sarrazins Buch sei "nicht hilfreich". Damit gab sie, wie
kurz darauf der höchste Mann im Staat, Sarrazin zum beruflichen
Abschuss frei. Demgegenüber stellt FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher
fest, dass diese Vorabdrucke harmlos gewesen seien, die
Darwin-Passagen über die Selektion von Menschen nach wirtschaftlichen
Gesichtspunkten suche man vergebens. Damit ist Folgendes gesagt: Die
Kanzlerin urteilt über einen Repräsentanten einer anderen
herausragenden Institution des Staates, ohne sich mit ihm wirklich
auseinandergesetzt zu haben. Und sie tut das auf der Basis einer
unzulänglichen Lektüre, mit anderen Worten: leichtfertig und
machtarrogant. Es ist aber eben jene Arroganz der Macht, die gerade
viele Menschen kirre werden lässt. Kühle Entscheidungen, begründet
ausschließlich mit institutioneller, nicht mit intellektueller
Gewalt. Merkels enge Vertraute von der Leyen hat vor kurzem im Radio
im Duktus der Empörung erklärt, auch sie werde dieses Buch nicht
lesen. Wie will sich die Ministerin für Arbeit eigentlich
auseinandersetzen mit jenen 650 000 Menschen, die Sarrazins
Buch gekauft haben? (Bald werden es mehr als eine Million sein.)
Sarrazins Buch ist hochproblematisch. Aber Merkels und Wulffs Umgang
damit untergräbt jene Debattenkultur, von der Demokratie lebt.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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Westdeutsche Allgemeine Zeitung
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