Börsen-Zeitung: Der Nächste, bitte!, Leitartikel von Walther Becker zur Konsolidierung in der Pharmabranche
Geschrieben am 25-09-2006 |
Frankfurt (ots) - Sie stoßen sich gesund und bauen damit die Pharmaindustrie in Europa um: Familiendominierte Konzerne strukturieren das Feld zwischen Nischenanbietern und ganz großen Spielern neu. In wenigen Tagen hat sich das Bild durch die Verkäufe von Schwarz Pharma, Altana und Serono gewandelt. Unterhalb der Multis, der Liga von Pfizer, Glaxo, Sanofi & Co., suchen die mittelgroßen Akteure ihr Heil in der Größe. Allerdings wächst dabei vielfach zusammen, was nicht zusammengehört. Die Deals wirken, als seien sie aus der Not geboren. Und so heißt es unverdrossen: Der Nächste, bitte!
Zwei Familien haben nun ihre liebe Not, den Geldsegen anzulegen: Die Quandt-Erbin Susanne Klatten verkauft die Medikamente-Aktivitäten der ihr mehrheitlich gehörenden Altana und streicht dafür 2 Mrd. Euro ein. Die Familie Bertarelli, die drei Viertel der Stimmrechte an Serono hielt, gibt in einer 10,6 Mrd. Euro schweren Transaktion ihre Firma an Merck ab. Denn der hinter dem deutschen Konzern stehende Clan hat sich in der Konzentrationswelle für die Offensive entschieden und ist sogar bereit, 1 Mrd. Euro an eigenem Geld für den Serono-Deal abzuzwacken sowie eine Verwässerung seines Anteils in Kauf zu nehmen.
Nun gibt auch Schwarz Pharma die Eigenständigkeit auf. Die belgische UCB will den von der Familie Schwarz-Schütte dominierten Konzern für 4,4 Mrd. Euro übernehmen. Hier macht die Familie nicht Kasse, wie bei Altana und Serono. Der Clan, der 60% an Schwarz Pharma hält, beteiligt sich an UCB mit gut 40% über den Aktientausch. Wen wundert es, dass hinter UCB eine Familie steht: Die Sippe um Gründer Janssen ist größter Aktionär. Familienunternehmen sind nun weitgehend heraus aus dem Spiel. Als Zielobjekte könnten Organon - von Akzo Nobel abgespalten -, die belgische Solvay oder Novo Nordisk und Lundbeck aus Dänemark in Betracht kommen.
Kleine und mittelgroße Pharmahersteller konnten bisher mit einzelnen Produkten über Jahre hinweg prosperieren. Doch auf lange Sicht gelingt es nur wenigen, immer wieder genügend Innovationen hervorzubringen und damit zu wachsen - Altana und Serono belegen dies. Auch Schering enttäuschte wiederholt mit Neuentwicklungen. Auf der anderen Seite können Multis, die mit großen Budgets die milliardenschwere Entwicklung neuer Medikamente angehen, Erfolg haben. Denn sie verteilen das Risiko von Fehlschlägen auf mehr Einzelprojekte. Die Mittelständler indessen drohen unter die Räder zu kommen. Zusätzlicher Handlungsdruck entsteht, weil die Zahl der interessanten Fusionspartner mit jeder Übernahme sinkt. Da entsteht Torschlusspanik, weil die Akteure fürchten, niemanden mehr zu finden. Schon die Deals vor Schwarz von Merck und Serono, von Bayer und Schering sowie von Altana sind ein Produkt der Schwäche - und zwar der eigenen Forschung.
So ist die industrielle Logik dabei nicht immer zu erkennen. Was hat die von künftiger Generika-Konkurrenz bedrohte Altana, die mit Pantoprazol viel zu lange alles auf eine Karte setzte, mit einem reinen Vertriebsunternehmen wie Nycomed zu tun, das über keine eigenen Innovationen in der Pipeline verfügt? Wieso zieht es Merck, die Vitamine herstellt, Generika produziert, in der Spezialchemie tätig ist und Komponenten für Flüssigkristall-Displays fabriziert, in die Biochemie? Immerhin ergänzen sich die Arbeitsgebiete von UCB, die sich auf Allergien, zentrales Nervensystem, Atemwegsbeschwerden und Krebs spezialisiert hat, mit der Palette von Schwarz, die in Herz-Kreislauf, Magen-Darm, Asthma, und Neurologie tätig ist. Dies ist auch bei Schering und Bayer der Fall, wo es nur in der Onkologie Überschneidungen gibt. Auf eine Familie ist Verlass: Boehringer Ingelheim. Die Gruppe ist nach wie vor ein unabhängiges, forschendes und produzierendes pharmazeutisches Unternehmen - und will dies auch bleiben. Der Gang an den Kapitalmarkt würde wegen der kurzfristigen Gewinnerwartungen den prosperierenden Konzern nur belasten, meint die Familie. Boehringer wächst international aus eigener Kraft, auch mittels Akquisitionen. Die Ingelheimer zählen international zu den forschungsintensivsten Unternehmen. Boehringer wettet nicht auf wenige Medikamente, sondern ist breit aufgestellt.
Abgesehen von Boehringer verliert Deutschland, früher als "Apotheke der Welt" apostrophiert, im Zuge der Konzentration an Bedeutung. Hoechst ist längst in Sanofi-Aventis aufgegangen, Boehringer Mannheim in Roche, Hexal in Novartis, und die BASF-Pharma wurde vor Jahren in die USA verkauft. Nun geht Altana Pharma an ein dänisches Unternehmen, Schwarz an ein belgisches, und Merck verlagert die ethischen Arzneimittel im Zuge der Serono-Übernahme in die Schweiz. Immerhin sind Bayer mit Schering sowie Merck, die zuvor bei Schering abgeblitzt war, treibende Kräfte der Übernahmewelle.
Ein Trostpflaster: Die außenstehenden Aktionäre werden nach dem, was bisher bekannt ist, in den Deals fair behandelt. Sie profitieren von ordentlichen Übernahmeprämien beziehungsweise der 4-Mrd.-Euro Sonderausschüttung im Falle der Altana.
(Börsen-Zeitung, 26.9.2006)
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