Westdeutsche Zeitung: Tag der deutschen Einheit = von Christoph Lumme
Geschrieben am 02-10-2006 |
Düsseldorf (ots) - Die Deutschen haben in diesem Sommer über sich selbst gestaunt. Die Republik zeigte beschwingt Flagge, ohne unter Generalverdacht zu geraten. Wir sind normal, schwärmten die Medien. Am Tag der Deutschen Einheit schließt sich die Frage an: Sind Ost- und Westdeutschland womöglich jetzt auch noch zusammengewachsen?
Gegen die plumpe Begrifflichkeit steht die verzwickte Gefühlslage. Denn bei aller zur Schau gestellten schwarz-rot-goldenen Fröhlichkeit haben die Deutschen das Jammern nicht verlernt. Noch immer vergleichen sich sowohl Ossis als auch Wessis mit Argwohn, noch immer fühlen sich sowohl Ossis als auch Wessis als Verlierer der Wiedervereinigung. Dahinter steckt die erlernte Logik, dass nur derjenige staatliche Zuwendung erhält, der sich nach allen Regeln der Kunst arm zu rechnen weiß. Dabei scheint in Deutschland - anders als im benachbarten Ausland - in Vergessenheit zu geraten, wie gewaltig die Herausforderungen der Wiedervereinigung tatsächlich waren. Und wenn heute 91 Prozent der Ostdeutschen die Einheit positiv bewerten, zeigt dies nur: Ja, Deutschland ist bei allen Unterschieden zu einer Nation zusammengewachsen. Separatistische Bewegungen, wie es sie in Italien, Spanien und Frankreich gibt, wären in Deutschland undenkbar.
Wer allerdings erwartet, der deutsche Nationalstaat des 21.Jahrhunderts könne in allen Regionen ähnliche Lebensverhältnisse garantieren, gibt sich Illusionen hin. Im Osten wie im Westen werden sich boomende Zentren von wirtschaftsschwachen Räumen abkoppeln. Dies wird aber zunehmend nicht mehr Folge der deutschen Geschichte sein, sondern Auswirkung des Geburtenrückgangs. Insofern erfahren die neuen Länder derzeit als Laboratorien der Zukunft, was die alten Bundesländer in 20 Jahren erwartet.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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