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Westdeutsche Zeitung: EU-Kommissar Verheugen = von Gerd Niewerth

Geschrieben am 18-10-2006

Düsseldorf (ots) - Günter Verheugen hat in diesen Tagen keinen
leichten Stand. Zuerst geriet er wegen seiner ungewöhnlich scharfen
EU-Beamtenschelte in die Schusslinie, nun steht er auch noch wegen
einer angeblichen Affäre mit seiner Kabinettschefin im Regen. Zwar
werden erste zaghafte Rücktrittsforderungen prompt mit deutlichen
Solidaritätsbekundungen aus Berlin pariert, aber die Kratzer an
Verheugens Image nehmen zu. Ohnehin hat der ranghöchste Deutsche in
der Europäischen Union seine besten Jahre längst hinter sich.

Zwei Ereignisse markieren den Bruch in Verheugens Karriere: zum
einen die Abwahl Schröders, zum anderen die Versetzung auf den Posten
des Industriekommissars. Als EU-Erweiterungskommissar hatte Verheugen
fünf Jahre lang brillieren können. Kein Wunder, dass der Deutsche in
Osteuropa bekannter und populärer als so mancher EU-Regierungschef
ist. Seit zwei Jahren darf er sich sogar mit dem noblen Titel des
Kommissions-Vizepräsidenten schmücken. Aber das ändert nichts daran,
dass er sich als Industriekommissar kaum in Szene zu setzen vermag.
Aus Verheugen, dem kühnen Architekten der Osterweitung, ist der
Papierfresser Verheugen geworden.

Die eigentliche Degradierung passierte aber mit dem Abtritt
Schröders. Bis dahin musste EU-Kommissionspräsident Barroso stets
umständlich den Umweg über Verheugen wählen, wollte er sich mit dem
deutschen Bundeskanzler ins Benehmen setzen. Heute sitzt der
Portugiese freudestrahlend selbst am Tisch des Bundeskabinetts. Sein
Draht zu Angela Merkel funktioniert bestens. Und wie es heißt,
telefonieren Merkel und ihre Protege Barroso häufig miteinander. Dass
Verheugen dem EU-Beamtenapparat nun den Krieg erklärte, wirkt eher
wie ein verzweifelter Befreiungsschlag. Der Ausgang: eher ungewiss.

Originaltext: Westdeutsche Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556
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