WAZ: Reformappell im Herbstgutachten: Sehen die Neuliberalen alt aus? - Kommentar von Ulf Meinke
Geschrieben am 19-10-2006 |
Essen (ots) - Mehr Eigenverantwortung - es ist eine bekannte Forderung, die Deutschlands führende Wirtschaftsforscher in ihrem Herbstgutachten formulieren. Und doch klingt der Ruf nach einem Rückzug des Staates seltsam neu angesichts der großen Armutsdebatte dieser Tage. Über Monate hinweg beherrschte ein neoliberaler Zeitgeist die gesellschaftliche Diskussion. Als modern galt, was weniger Staat und mehr Markt versprach. Mit einem entsprechend freiheitlichen Regierungsprogramm stellte sich Angela Merkel den Wählern. Doch die votierten - vielfach verängstigt durch Hartz IV und Flat Tax - lieber für eine Politik, die den Wohlfahrtsstaat nicht aufgibt. Die Folge sind in der Großen Koalition gefesselte Volksparteien.
Im Auf und Ab der Meinungen hat nun also das Soziale an der Marktwirtschaft Konjunktur. Nicht nur NRW-Ministerpräsident Rüttgers setzt durchaus mit Erfolg auf die Strategie, erster Arbeiterführer des Landes zu sein. Die Gewerkschaften wittern Morgenluft, rechnen mit den "Marktradikalen" ab und wettern gegen gierige Manager, die trotz millionenschwerer Gewinne munter Jobs vernichten. Die Politik entdeckt derweil die "Unterschicht". Sieht der Neuliberalismus etwa alt aus?
Beinahe scheint es, als werde im Herbstgutachten der Wirtschaftsinstitute eine Außenseiterposition formuliert. Als "Grundprinzip guter Wirtschaftspolitik" gilt dort: Eingriffe des Staates sollten unterbleiben, wo der Markt bessere Lösungen liefert. Damit verbunden ist eine tief greifende Kritik an den Reformprojekten der Großen Koalition. Die Pläne zur Reform der Unternehmensteuern, zur Gesundheits- und Arbeitsmarktpolitik blieben "weit hinter dem zurück, was zur deutlichen Verbesserung der Wachstums- und Beschäftigungsbedingungen erforderlich wäre", schreiben die Ökonomen. Sind die Wissenschaftler etwa längst einsame Rufer für Reformen?
Nein, denn ihre Konzepte sind kein Widerspruch zur neuen Akzentuierung des Sozialen. Denn Wirtschaftswachstum ist die Grundlage neuer Arbeitsplätze. Mehr Jobs wiederum sind eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Vorraussetzung für die Vermeidung einer "Unterschicht". Die Politik darf sich also nicht damit zufrieden geben, die Probleme nur zu schildern - sie muss auch Reform-Lösungen bieten und durchsetzen. Gefordert ist eine klare wirtschaftspolitische Linie, die sich weder an reinen Markt- noch an simplen Staatsideologien orientiert. Ein genereller Reformstopp jedenfalls ist kein geeignetes Rezept gegen die "neue Armut".
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
Rückfragen bitte an: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Zentralredaktion Telefon: (0201) 804-0 zentralredaktion@waz.de
Kontaktinformationen:
Leider liegen uns zu diesem Artikel keine separaten Kontaktinformationen gespeichert vor.
Am Ende der Pressemitteilung finden Sie meist die Kontaktdaten des Verfassers.
Neu! Bewerten Sie unsere Artikel in der rechten Navigationsleiste und finden
Sie außerdem den meist aufgerufenen Artikel in dieser Rubrik.
Sie suche nach weiteren Pressenachrichten?
Mehr zu diesem Thema finden Sie auf folgender Übersichtsseite. Desweiteren finden Sie dort auch Nachrichten aus anderen Genres.
http://www.bankkaufmann.com/topics.html
Weitere Informationen erhalten Sie per E-Mail unter der Adresse: info@bankkaufmann.com.
@-symbol Internet Media UG (haftungsbeschränkt)
Schulstr. 18
D-91245 Simmelsdorf
E-Mail: media(at)at-symbol.de
35475
weitere Artikel:
- LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Berlin-Urteil Leipzig (ots) - Diva Von Roland Herold Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird die Berliner Luft dünner. Und das ist auch gut so. Friedbert Pflügers Einwurf, ein Teil der Hauptstadt-Schulden sei Ergebnis der jahrzehntelangen Teilung und des zu raschen Abbaus der Berlinhilfen bringt es ungewollt auf den Punkt: Der andere Teil ist durchaus hausgemacht. Dass Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in dieser Situation noch ein beitragsfreies Kita-Jahr verspricht, kann man da entweder als rein familienfreundlich oder als pure mehr...
- Mitteldeutsche Zeitung: zu Berlin-Urteil Halle (ots) - Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) kann sich als Tagessieger fühlen. Die Begehrlichkeit eines finanzschwachen Landes ist abgewehrt. Doch andere Begehrlichkeiten bleiben - gerade weil die Steuern derzeit sprudeln. Seit Gründung der Bundesrepublik flammt der Kassenkampf zwischen Bund und Ländern immer wieder auf. Angesichts dieses Dauer-Zwists ist es wünschenswert, dass der zweite Teil der Föderalismus-Reform nicht auf die lange Bank geschoben wird. Ziel sollte sein, die jetzige Mischfinanzierung zu überwinden, bei mehr...
- Lausitzer Rundschau: Berlin scheitert mit Klage nach Bundesgeld Jeder stirbt für sich Cottbus (ots) - Das Urteil gegen die Begehrlichkeiten Berlins sendet jenseits der Häme und Schadenfreude über die Blamage für die Partykönige eine erschreckende Botschaft in den Osten Deutschlands. Gezahlt hätte die Sanierung des Hauptstadtetats im Wesentlichen die reiche Bande im Süden der Republik - also jener Gegend, in der auch Karlsruhe liegt. Jetzt wird erstmal abgewartet, wie der Test auf die Schmerzschwellen in Neukölln, Kreuzberg, Marzahn und Friedrichshain ausfällt. Das ist ja auch weit genug weg von Isar, Donau, Rhein und mehr...
- Lausitzer Rundschau: Lausitzer Landschaftswandel für Europa Exportschlager IBA Cottbus (ots) - Wenn Landschaftsarchitekten außerhalb der Lausitz von der Internationalen Bauausstellung (IBA) Fürst-Pückler-Land hören, sind sie zumindest beeindruckt. Die Dimension des Betätigungsfeldes auf der mit 5000 Quadratkilometern größten Landschaftsbaustelle Europas lässt das Herz des Praktikers höher schlagen. Das erging den Experten gestern auf der europäischen Konferenz "Zur Zukunft der Kulturlandschaft" in Berlin nicht anders. Heute dürften sie beim Besuch in der Region eher noch ins Schwärmen kommen. Die Dynamik des Landschaftswandels mehr...
- Lausitzer Rundschau: Der Ansturm auf die Unis Die Zeit drängt Cottbus (ots) - So regional unterschiedlich wie die einzelnen Bundesländer sind, so differenziert präsentiert sich auch ihre Hochschullandschaft. Noch wichtiger ist jedoch, dass jedem Bundesland quasi eine andere demografische Entwicklung bevorsteht. Die einen bluten jetzt schon aus, wie die neuen Länder; die Unis der anderen werden bereits überrannt, wie in Hamburg oder Berlin. Insofern wäre es völlig absurd, zusätzliche Mittel für neue Studienplätze ohne Sinn und Verstand per Gießkanne zu verteilen. Die Landesminister tun gut daran, mehr...
|
|
|
Mehr zu dem Thema Aktuelle Politiknachrichten
Der meistgelesene Artikel zu dem Thema:
LVZ: Leipziger Volkszeitung zur BND-Affäre
durchschnittliche Punktzahl: 0 Stimmen: 0
|