LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Berlin-Urteil
Geschrieben am 19-10-2006 |
Leipzig (ots) - Diva Von Roland Herold Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wird die Berliner Luft dünner. Und das ist auch gut so. Friedbert Pflügers Einwurf, ein Teil der Hauptstadt-Schulden sei Ergebnis der jahrzehntelangen Teilung und des zu raschen Abbaus der Berlinhilfen bringt es ungewollt auf den Punkt: Der andere Teil ist durchaus hausgemacht. Dass Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in dieser Situation noch ein beitragsfreies Kita-Jahr verspricht, kann man da entweder als rein familienfreundlich oder als pure Unverschämtheit empfinden. Den Kohl fett macht es bei über 60 Milliarden Euro Schulden schon nicht mehr. 1992 waren Saarland und Bremen per Bundesverfassungsgerichtsurteil der finanziellen Malaise entkommen. Im Jahre 2006 aber, in dem mehr als die Hälfte der Bundesländer keinen verfassungsmäßigen Etat mehr auf die Beine stellen können, wäre ein derartiges Signal verheerend gewesen. Karlsruhe hat deshalb ein hohes Maß an Realitätssinn bewiesen. Die klare Verneinung der Frage, ob reiche Bundesländer unter allen Umständen im föderalen System für die ärmeren haften müssen, wird nicht nur Bremen und dem Saarland die Möglichkeit verwehren, wieder Ähnliches zu versuchen. Sie wird auch die Neuregelung des Föderalismus in der Bundesrepublik entscheidend beeinflussen. Zum ersten Mal in der Geschichte ist die finanzielle Eigenverantwortung der Länder über ein zweifelhaftes, weil nicht mehr bezahlbares Solidaritätsprinzip gestellt. Das Leben auf Pump wird damit ein endliches. Statt dessen muss nun der Föderalismus insgesamt mit Blick auf kommende Generationen angepasst werden. Dass sich Karlsruhe der Sicht des Bundes angeschlossen hat, in Berlin sei die Erfüllung verfassungsrechtlicher Aufgaben in keiner Weise beeinträchtigt, ist aber nur das eine. Das andere ist die Begründung: Die Hauptstadt könne sich bei ehrlichem Sparwillen mit eigener Kraft aus der Krise helfen. Das ist eine klare Ohrfeige für Wowereit. Schließlich weiß der Partylöwe selbst am besten, dass die Mär vom armen, sexy Aschenputtel so nicht stimmt. Berlin ist vielmehr eine verschwenderische Diva mit Realitätsverlust geworden. Erwartungsgemäß ertönt nun von der Spree als Reaktion das Gejammer über den Untergang der Kultur. Dabei hat das eine mit dem anderen nur wenig zu tun. Immerhin geht auch weiterhin fast die Hälfte des Haushalts vom Kulturstaatsminister in die Hauptstadt. Wenn sich Berlin statt dessen von einem Teil seines Tafelsilbers, den landeseigenen Wohnungen beispielsweise, trennen und die Gewerbesteuer anheben würde, könnte sogar völlig ohne kulturellen Verlust ein Teil der Schulden abgebaut werden. Das wäre dann wirklich - um es mit Wowereit zu sagen - sexy.
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