Westdeutsche Zeitung: Ich, Ich, Ich = Von Martin Vogler
Geschrieben am 22-10-2006 |
Düsseldorf (ots) - Wenn Minister aus ihrem Amt ausscheiden, halten sie sich aus Debatten über ihre ehemaligen Kompetenzfelder zurück. Das ist guter demokraktischer Brauch. Für einen Ex-Kanzler gelten offenbar andere Regeln. Gerhard Schröder hat zum Rundumschlag ausgeholt, attackiert gnadenlos eigene Genossen, die Gewerkschaften und die jetzige Regierung. Wobei Letzteres angesichts des schwachen Bildes, das Angela Merkel und ihr Kabinett derzeit abgeben, leicht fällt. Es stimmt ja, dass beispielsweise die Gesundheitsreform ein "bürokratisches Monstrum" zu werden droht. Aber muss das alles ausgerechnet aus dem Mund von Gerhard Schröder kommen? Nein.
Schröder ist schlicht peinlich. Mit seiner strategisch clever aufgezogenen PR-Aktion für sein neues Buch heizt ausgerechnet der die politische Diskussion an, der weite Teile des derzeitigen Schlamassels zu verantworten hat. Wenn ihm Wirtschaftsminister Glos dafür "Großkotzigkeit" bescheinigt, ist das noch milde. Denn die bereits vorliegenden Passagen zeigen, dass es sich nicht um einen weisen Rückblick handelt, sondern um eine eitle Selbstdarstellung. Vielleicht macht sich ja nach Vorliegen des gesamten Textes mal jemand die Mühe, die Menge des Wortes "Ich" in Schröders Werk zu zählen? Ein Spitzenplatz gegenüber sonstigen Memoiren dürfte dem früheren Brioni- und Basta-Kanzler in dieser Kategorie sicher sein.
Was nicht der einzige Unterschied ist: Andere Politiker schrieben nicht nur viermal so dicke Rückblicke, zum Beispiel Adenauer und Kohl. Vor allem ließen sie bis zur Drucklegung deutlich mehr Zeit als Schröder verstreichen. Den einzigen Trost im jetzt entfachten Wirbel spendet der Autor selbst, wenn er seine Rückkehr in die aktive Politik ausschließt. Hoffentlich stimmt's.
Originaltext: Westdeutsche Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=62556 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_62556.rss2
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