LVZ: Überfordert
Geschrieben am 29-10-2006 |
Leipzig (ots) - Von Olaf Majer Stolz nahmen Kanzler und Außenminister zur Kenntnis, dass mit jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr die Bedeutung Deutschlands in der Welt stieg. Was mit Bosnien 1995 unter Kohl begann, wurde unter Rot-Grün fast zur Normalität: Deutsche Ordnung und Zuverlässigkeit waren bei internationalen Kriseneinsätzen gefragt. Das Bundeswehrbarrett als neuester Exportschlager - schnell entstand der Eindruck: Wir sind wieder wer, auch in Uniform. Im Gleichschritt ging es marsch, marsch vom Balkan bis zum Horn von Afrika, der Blick für die Realität blieb dagegen auf der Strecke. Es mangelte nicht an kritischen Stimmen, die vor einer Überforderung der international unerfahrenen Wehrpflichtarmee warnten. Doch in der Ära Schröder-Fischer wurden sie gern überhört oder kaltgestellt. Zur Not auch per Vertrauensfrage im Bundestag, die der eitle Buchautor Schröder natürlich nicht als Erpressung sieht, sondern als seine Handlungsstärke verklärt. Nun plötzlich, aufgeschreckt durch Schock-Fotos mit Totenköpfen, wissen es alle besser. Es mutet seltsam an, wenn ausgerechnet Ex-Verteidigungsminister Struck in den Chor der Bedenkenträger von Auslandseinsätzen einstimmt. Noch im Amt, plagten ihn solche Zweifel nicht. Da raunzte der SPD-Bollerkopf alle Kritiker mit der nie erwiesenen These an, dass Deutschland auch am Hindukusch verteidigt wird. Dabei ist die Frage nach Sinn oder Unsinn mancher Bundeswehr-Mission durchaus berechtigt. So drohen die israelischen Kriegsspielchen im Mittelmeer den Kritikern des Libanon-Einsatzes Recht zu geben. Das Mandat für die deutschen Marineboote scheint weit weniger robust, als von Kanzlerin Merkel gern glaubhaft gemacht wird. Und wenn in Küstennähe erst die libanesische Regierung um Erlaubnis für Waffenkontrollen gebeten werden muss, dann ist ein zahnloser Tiger im Vergleich zu diesen Leichtmatrosen noch ein gefährliches Raubtier. Andererseits gehen die Forderungen nach einem schnellen Rückzug gerade aus Afghanistan zu weit. Mit dem überhasteten "Kehrt marsch!" wäre niemandem gedient. Der Bundeswehr nicht, denn nach dem moralischen Kollaps im Knochenfeld käme dies einem Abzug in Schande gleich. Den Afghanen wäre aber ebensowenig geholfen. Längst sind Stillstand und Rückschritte auf dem Weg zu demokratischen Strukturen sichtbar. Schreckensherrscher vom Schlage eines Gulbuddin Hekmatjar warten nur auf den Abschied der "Besatzer." Doch selbst bei einem Rückzug der Auslandstruppen bleibt Deutschland nicht die Grundsatzdebatte erspart, wie es zu dieser Verrohung der Sitten kommen konnte. Hier machen es sich all jene zu leicht, die den Erziehungsauftrag der Bundeswehr einfordern. Mag sein, dass manches Muttersöhnchen beim Bund das Bettenbauen und Kartoffelschälen lernt. Doch in einer Gesellschaft, in der Beliebigkeit im Trend liegt und werteorientiertes Handeln in Vergessenheit gerät, sind auch Ausbilder in Uniform hoffnungslos überfordert. Vielleicht ist der morgige Reformationstag eine gute Gelegenheit, über reformatio, die notwendige Erneuerung und Umgestaltung im Land der "German Angst" nachzudenken.
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