Unfairer Wettbewerb zu Lasten der Patienten / Gesetzlich Krankenversicherte warten deutlich länger auf ihre Behandlung als Privatversicherte
Geschrieben am 03-11-2006 |
Bonn (ots) - Eine aktuelle Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zeigt, dass privat Krankenversicherte im Vergleich zu gesetzlich Versicherten beim Zugang zu niedergelassenen Ärzten klar privilegiert sind. Trotz akuter Beschwerden musste jeder vierte gesetzlich Versicherte (25,3 %) beim letzten Arztbesuch mindestens zwei Wochen auf einen Behandlungstermin warten. Bei privat Versicherten mit Beschwerden war dies nur bei 7,8 % der Fall.
Die aktuelle WIdO-Analyse auf der Grundlage einer repräsentativen Versichertenbefragung unter insgesamt rd. 3000 gesetzlich und privat Krankenversicherten zeigt weiter, dass längere Wartezeiten auch im subjektiven Empfinden der Patienten ein Problem darstellen. 33,5 % der GKV-Versicherten mit akuten Beschwerden empfanden die Wartezeit auf ihren letzten Arzttermin als zu lang - bei Privatversicherten traf dies nur auf 14,7 % zu. Noch deutlicher ausgeprägt sind die Unterschiede in Ostdeutschland: Hier klagten fast 40 % der gesetzlich Versicherten mit akuten Beschwerden über zu lange Wartezeiten, aber nur jeder siebte Privatversicherte (GKV: 39,7 %; PKV: 13,3 %). Die Ungleichbehandlung von GKV- und PKV-Patienten wird am Beispiel der Arztgruppe der Orthopäden besonders deutlich. 17,3 % der GKV-Patienten mit akuten Beschwerden mussten länger als 4 Wochen auf einen Termin beim Orthopäden warten, aber nur 2,4 % der Privatversicherten mit Beschwerden. 43,3 % der PKV-Patienten mit Beschwerden wurden sofort oder am nächsten Tag behandelt, aber nur 26,2 % der GKV-Patienten.
Die Analyse zeigt, dass die Wartezeiten generell mit wachsender Ortsgröße abnehmen, was auf die höhere Arztdichte in Ballungsgebieten zurückzuführen sein dürfte. Offensichtlich profitieren hiervon aber in erster Linie die PKV-Versicherten. So mussten auch in Städten mit mehr als 500.000 Einwohnern 20,8 % der GKV-Patienten mit akuten Beschwerden länger als zwei Wochen auf einen Behandlungstermin warten, aber nur noch 2,5 % der PKV-Patienten mit Beschwerden. Erst vor kurzem hatte das WIdO die Studie "Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion?" vorgelegt, in der die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zwischen GKV und PKV mit Zahlen belegt werden - unter anderem mit folgenden Ergebnissen:
- Der weit überwiegende Großteil der Bevölkerung hat überhaupt kein Wahlrecht zwischen GKV und PKV.
- Die Durchschnittseinkommen der PKV-Versicherten liegen 60 % über den Einkommen der GKV-Mitglieder. Wären die Privatversicherten an der solidarischen Finanzierung der Gesundheitsversorgung beteiligt, stünde insgesamt deutlich mehr Geld zur Verfügung. Dadurch könnten die GKV-Beitragssätze gesenkt werden, ohne dass es Abstriche bei der Vergütung der Leistungserbringer geben müsste.
- Auch wenn das Beitragsniveau der PKV aufgrund ihrer bestehenden Selektionsvorteile gegenüber der GKV vergleichsweise günstig ist, fallen die Prämienzuwächse seit vielen Jahren deutlich höher aus als die Beitragssatzsteigerungen der GKV. Das liegt vor allem daran, dass die PKV praktisch nur über - begrenzt wirksame - Instrumente der Individualsteuerung (Selbstbeteiligung, Beitragsrückerstattung usw.) verfügt, aber - anders als die GKV - praktisch keine Möglichkeiten hat, Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung im Rahmen von Verträgen mit Leistungserbringern zu beeinflussen.
- Zentrale Ausprägungen des Solidarprinzips der GKV finden in der Bevölkerung hohe Zustimmung - auch bei vielen PKV-Versicherten. Das gilt insbesondere für Beamte, die aufgrund der Beihilferegelungen jedoch faktisch gezwungen sind, sich privat zu versichern.
Die nun vorgelegte aktuelle Auswertung zu Wartezeiten in der ambulanten Versorgung fügt der Analyse der Wettbewerbsverzerrungen zwischen GKV und PKV eine weitere Facette hinzu. So führt der "Wettbewerb" zwischen GKV und PKV offensichtlich auch auf der Versorgungsseite zu Ungleichheiten, indem PKV-Versicherte erkennbar bevorzugten Zugang zu Ärzten erhalten.
Publikationshinweis: Klaus Jacobs, Jürgen Klauber, Johannes Leinert (Hrsg): Fairer Wettbewerb oder Risikoselektion? Analysen zur gesetzlichen und privaten Krankenversicherung. Bonn 2006, 162 Seiten, Preis 16,00 Euro, ISBN 3-922093-41-8.
Die Publikation kann beim Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) direkt bestellt werden (Frau Ursel Heller, Telefon: 0228 / 843-131; Telefax: 0228 / 843-144; Bestellformular unter http://www.wido.de).
Originaltext: Wissenschaftliches Institut der AOK Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=32063 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_32063.rss2
Pressekontakt: Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) Herr Klauber 0228 843-137; Telefax: 0228 / 843-144; E-Mail: juergen.klauber@wido.bv.aok.de http://www.wido.de
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