LVZ: Leipziger Volkszeitung zur Haushaltsdebatte in Sachsen
Geschrieben am 12-12-2006 |
Leipzig (ots) - Musterknabe Von Jürgen KochinkeSachsen ist in der komfortablen Lage, viel Geld zu haben, so viel, dass es einigen schon fast peinlich ist. Sagenhafte 626 Millionen Euro zusätzlich hat das Land 2006 eingenommen und muss diese nun sinnvoll unter die Leute bringen. Doch Ministerpräsident Milbradt wäre nicht der alte Kämmerer aus dem Münsterland, würde er mit den ihm so zugefallenen Millionen Geschenke verteilen. Nach dem Motto: ein paar kostenfreie Kita-Plätze da, einige gerettete Schulstandorte hier. Er verwendet das Geld vielmehr, um Zukunftslasten zu verringern, und das ist gut so. Denn schon heute ist klar, dass die Landesmittel in einigen Jahren rapide sinken. Spätestens ab 2009, wenn die Soli-Gelder des Bundes zurückgefahren werden, müssen die Länderhaushalte saniert sein - oder es droht der Bankrott. Das genau ist die Lehre aus der gestrigen Grundsatzdebatte zum Doppelhaushalt 2007/08 im sächsischen Landtag. Während Länder wie Thüringen weiter ungeniert auf Pump leben, setzt die schwarz-rote Koalition in Sachsen auf finanzpolitische Nachhaltigkeit. Während Althaus in Erfurt mit Soli-Geldern Haushaltslöcher stopft, baut Sachsen faktisch Schulden ab - als erstes Bundesland überhaupt. Das allerdings darf in Dresden keiner allzu laut sagen. Mit Blick auf die drohende Neiddebatte West um die Soli-Gelder Ost passt ein mit Schuldenabbau prahlender Musterknabe Sachsen nicht so recht ins Konzept. Seit einiger Zeit schon wächst das Unbehagen in den alten Ländern, spielen nicht nur Finanzminister mit dem Gedanken, die Transferleistungen zu reduzieren. Dass Sachsen eben deshalb nur die verdeckten Schulden abbauen und kaum darüber reden darf, kann getrost als Luxusproblem abgetan werden. So könnte die Geschichte gut enden, wäre da nicht die gefühlte Lage im Freistaat. Denn diese ist mal wieder schlechter als die reale. Schuld daran sind die Regierenden selbst, die das Großprojekt Kreis- und Verwaltungsreform gestern außerplanmäßig vertagen mussten. Dies überschattet nun die gesamte Debatte über Milbradts finanzpolitische Großtaten. Oder anders herum: Es ist schmerzhaft mit ansehen zu müssen, wie die Regierung das soeben vorn Aufgebaute mit dem Hinterteil wieder einreißt. Das Schlimmste daran aber ist, dass es hausgemacht ist. Wer zwei so entscheidende Projekte wie den Doppelhaushalt und die Kreisreform mal eben zwischen acht Uhr morgens und mittags halbzwölf abhaken will, muss sich nicht wundern, wenn genau das schiefgeht. Der Tag gestern hätte ein guter werden können für Milbradt. So war es mal wieder nur ein Tag.
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