Vaatz: Offener Brief an Bundestagsvizepräsidentin Pau
Geschrieben am 15-12-2006 |
Berlin (ots) - Der Stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Arnold Vaatz MdB, übersandte der Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau MdB nachfolgend dokumentierten Offenen Brief:
Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin,
am 17.11.2006 haben Sie im "Neuen Deutschland" Ihre Trauer um den ehemaligen stellvertretenden Minister für Staatssicherheit der DDR, den HVA-Chef Wolf, annonciert. Leider wurde ich erst heute auf diesen Sachverhalt aufmerksam.
Jeder hat das Recht, um seine Freunde zu trauern, egal, wer diese waren und wie sie von Dritten beurteilt werden; und niemand hat das Recht, jemanden, der um einen Freund trauert, zu unterstellen, er teile auch dessen Gesinnung.
Allerdings trauern Sie nicht nur um einen Freund, sondern auch um Ihren "Genossen", der "aufrecht durch sein Leben ging". Damit sind Sie selbst es, die die Gemeinsamkeit Ihrer politischen Grundüberzeugung mit dem Verstorbenen heraushebt und allen mitteilt.
Sie tun dies als Vizepräsidentin eines demokratischen Parlaments, dessen Arbeit in der Verantwortung Wolfs erwiesenermaßen mit geheimdienstlichen Mitteln manipuliert wurde. Ich erinnere an den Stimmenkauf im Jahre 1972, mit dem ein Kanzlerwechsel von Willy Brandt zu Rainer Barzel vereitelt wurde.
Sie tun dies als eine der höchsten Repräsentantinnen eines Landes, dessen einst höchster Repräsentant durch sorgfältig organisierten Rufmord in der Verantwortung Wolfs um seine politische Existenz gebracht wurde. Ich erinnere an die Manipulation der Biografie von Heinrich Lübke als angeblichen "KZ-Baumeister".
Sie tun dies als Vizepräsidentin des höchsten Kontrollgremiums für einen - für unseren demokratischen Staat äußerst wertvollen - Geheimdienst, der sich von dem Geheimdienst Wolfs eben dadurch unterscheidet, dass er einer solchen demokratischen Kontrolle unterworfen ist. Sie würdigen die Tätigkeit für einen Geheimdienst, der im Auftrag einer ohne demokratische Legitimation regierenden und seine Bürger unter Todesandrohung am Verlassen des Landes hindernden Partei tätig war, als "aufrechten Weg durchs Leben".
Sie tun dies als Volksvertreterin; als Vertreterin also auch jener Bürger, die durch das Wirken jenes Geheimdienstes, dessen auswärtiger Arm Wolf war, an Gut, Beruf, Freundschaften, Leib oder Leben geschädigt wurden. Denn dass sich Wolfs Wirken nur in der Sphäre der Auseinandersetzung der gegnerischen Blöcke in einem gleichsam vom Himmel gefallenen "Kalten Krieg" vollzogen habe, ist eine verkürzende Legende, die ihn selbst wenn sie zuträfe, nicht entlasten könnte. Nein: Die Tätigkeit von Wolfs Apparat statuierte ebenso mit Infamie, Tücke und Brutalität Exempel nicht nur gegen mächtige Staaten, sondern gegen vergleichsweise wehrlose ehemalige Bürger der DDR, denen die Flucht in den Westen gelungen war und die nun jenseits aller Politik nur noch das Ziel hatten, ein neues Leben in Freiheit zu beginnen. Für Verbrechen solcher Art wurde er rechtskräftig verurteilt.
Im letzten Deutschen Bundestag waren Sie mit Ihrer Kollegin auf sich allein gestellt, und ich konnte Ihnen aufgrund Ihrer Arbeit oft meinen Respekt nicht versagen. Manchmal schien mir sogar, Sie seien bestrebt darauf hinzuwirken, dass sich Ihre Partei, die PDS, tatsächlich von ihren antidemokratischen Traditionen trennt. Daher meinte ich, meiner Fraktion empfehlen zu können, Sie als Bundestagsvizepräsidentin zu wählen. Dies war ein Fehler, für den ich mich bei meinen Kollegen entschuldigen werde.
Wie Sie wissen, hat uns die deutsche Geschichte im Jahr 1933 gezeigt, dass ein Wahlsieg einer Partei bei demokratischen Wahlen nicht als Beweis für den demokratischen Charakter dieser Partei hinreicht. Ihre Partei hat im Jahr 1948 unter dem Schutz der sowjetischen Besatzungsmacht durch die Gleichschaltung der Parteien und die Einführung der Einheitsliste jene Demokratie in Ostdeutschland hinweggefegt, die sie nach 1945 aufzubauen vorgegeben hatte. Seit 1990 hat sie durch Namenswechsel den Menschen in diesem Land einen Willen zur Demokratie vorgetäuscht, den sie nicht hat. Heute trauern Sie - wie ihre Annonce zeigt - den Symbolen der Diktatur von gestern nicht allein als Menschen (was legitim wäre), sondern als eben jenen Symbolen der Diktatur nach. Morgen wären Sie vermutlich wieder bereit, jene demokratischen Regeln, in die Sie sich seit 1990 zu fügen haben, zu beseitigen, wenn Sie wie 1948 die Macht dazu hätten.
Zu dieser Einschätzung muss man kommen, wenn man in Rechnung stellt, dass Sie mit Ihrem politischen Bekenntnis in besagter Annonce bewusst an die antidemokratischen Traditionen ihrer Partei anknüpfen, die Demokratie verhöhnen und das Amt einer Bundestagsvizepräsidentin beschädigen.
Arnold Vaatz
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