WAZ: Steinmeier unter Druck: Das miese Spiel mit Murat Kurnaz - Leitartikel von Lutz Heuken
Geschrieben am 19-01-2007 |
Essen (ots) - Murat Kurnaz ist kein Mensch, den man auf Anhieb sympathisch finden muss. Seine Frisur und sein langer Bart, der fast bis an die Hüfte reicht, mögen befremdlich wirken. Kurnaz kann nicht geschliffen parlieren, nicht scharf argumentieren. Sein Leben wirft Fragen auf - nicht zuletzt seine Reise nach Pakistan, auf der er gefangen genommen wurde und die ihn schließlich ins US-Lager Guanta´namo brachte.
Doch: Das alles ist kein Grund, die Regeln des Rechtsstaats außer Kraft zu setzen. Was mit Kurnaz geschah, widerspricht nicht nur jeder juristischen, sondern auch jeder menschlichen Kategorie.
Obwohl seit Jahren feststand, dass Kurnaz unschuldig war, weigerte sich Deutschland, ihn wieder aufzunehmen. Nicht nur durch schäbiges Desinteresse und passives Unterlassen, wie man bislang annehmen konnte, sondern durch aktives Hintertreiben, durch Methoden, die man eher einer Junta als einer demokratischen Regierung zutraut: Da sollte mit fadenscheinigen Argumenten die Aufenthaltsgenehmigung des Deutsch-Türken in Bremen verschwinden, da sollte gar die entsprechende Seite aus dem Pass gerissen werden. Wenn die Vorwürfe stimmen, dann handelt es sich bei den Intrigen zwischen Kanzleramt und Innenministerium um eine Affäre, die an die Grundfesten dieses Staates geht.
Denn zwischen dem Angebot der Amerikaner im Jahr 2002, Murat Kurnaz nach Deutschland zu entlassen und der tatsächlichen Freilassung im Jahr 2006 liegt für den Gefangenen eine schreckliche Zeit: In Guanta´namo, das haben entlassene Häftlinge übereinstimmend ausgesagt, werden Menschen gequält, geschlagen und in Isolationshaft gehalten. All das hätte die Bundesregierung dem jungen Mann ersparen können; sie hätte es ihm ersparen müssen.
Zusätzliche Brisanz erfährt der Skandal, weil er in die Verantwortung einer rot-grünen Regierung fällt, einer Regierung, die beim Volk viel Rückhalt hatte, weil sie sich strikt gegen den Krieg der Amerikaner im Irak stellte und die sich nicht scheute, die unmenschlichen Zustände in Guanta´namo anzuprangern. Im Nachhinein wirkt so manche Äußerung mehr als verlogen.
Einer der Hauptverantwortlichen für die Affäre ist ganz offensichtlich der heutige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. Wenn die Vorwürfe stimmen, muss Steinmeier Konsequenzen ziehen. Dabei ist es nicht entscheidend, dass Herr Steinmeier sympathisch wirkt und als Außenminister gute Arbeit leistet. Er müsste zurücktreten.
Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2
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