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WAZ: Sprachtests im Kindergarten: Keine Katastrophe - Leitartikel von Christopher Onkelbach

Geschrieben am 23-04-2007

Essen (ots) - Durchgefallen, gescheitert, versagt. Wenn Eltern
dies über ihre Vierjährigen denken, die in die zweite Runde des
Sprachtests müssen, liegen sie falsch. Sicher, auf den ersten Blick
kann man über die Zahlen erschrecken: Bei 62 000 von 145 000
getesteten Kindern gab es Zweifel, ob ihre Deutschkenntnisse ihrem
Alter entsprechen. Dennoch ist dieses Ergebnis keine Katastrophe. Es
zeigt vielmehr, wie wichtig es ist, jedes Kind einzeln anzuschauen.

Viel Kritik gab es an dem Verfahren selbst: Der Test kam zu spät
in die Kindergärten, die Erzieherinnen wurden ungenügend vorbereitet,
das "Zoospiel" entspricht nicht der Erfahrungswelt vieler Kinder,
wurde moniert. Manches Kind, das seinen Eltern zuhause ein Ohr
abquasselt, bekam in der Testsituation vor fremden Menschen kein Wort
heraus. Andere sahen es schlicht nicht ein, solche Unsinnssätze
nachzusprechen wie "Wenn der Löffel lacht, hüpft er in den Mittag".
Damit sollte getestet werden, wie viele Wörter ein Kind speichern und
wiederholen kann. "Mein Kind hat sich einfach den doofen Aufgaben
verweigert", sagte eine Mutter, und das kann man sogar verstehen.

Vergessen wird bei aller berechtigten Kritik aber, dass dieser
Sprachtest nicht benotet wird und nichts über die Intelligenz eines
Kindes aussagen will. Wer aufgefallen ist, hat nicht "versagt". Es
geht darum, systematisch hinzusehen und hinzuhören, um Kindern, die
offensichtlich in ihrer Sprachentwicklung hinterherhinken, zu helfen.
In NRW haben mittlerweile rund 30 Prozent aller Grundschulkinder
einen Zuwanderungshintergrund. In diesen Familien wird zuhause oft
nicht Deutsch gesprochen. Aber auch immer mehr Kinder aus deutschen
Familien zeigen sprachliche Defizite. Denn viele Eltern sind
buchstäblich "sprachlos". Sie reden kaum mit ihren Kindern, parken
sie vor dem Fernseher mit seinem reduzierten Kinder-Blabla. Deshalb
ist diese frühe Sprachstandsfeststellung - wie der Test in unschönem
Amtsdeutsch heißt - sinnvoll.

Denn eines ist klar: Die Beherrschung der Sprache ist die
grundlegende Kulturtechnik, Voraussetzung nicht nur für die
allgemeine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sondern auch für den
Bildungserfolg. Wer die Sprache nur mangelhaft beherrscht, wird
bereits in der Grundschule scheitern, nicht nur im Fach Deutsch - und
auch das muss nichts mit dem Intelligenzquotienten zu tun haben. Dies
zu vermeiden und allen Kindern eine faire Chance auf Bildungsteilhabe
zu bieten, ist eine der vornehmsten Aufgaben von Erziehung und
Bildungspolitik.

Originaltext: Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=55903
Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_55903.rss2

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Rückfragen bitte an:
Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: (0201) 804-8975
zentralredaktion@waz.de


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