Südwest Presse: Leitartikel: CDU
Geschrieben am 08-05-2007 |
Ulm (ots) - Wer von den neuen Grundsatzprogrammen, an denen SPD, CDU und CSU gegenwärtig mit Hochdruck arbeiten, erschöpfende Antworten auf alle drängenden Fragen dieser Zeit erwartet, wird enttäuscht werden. Die Parteien sind auch nicht schlauer als die vielen klugen Köpfe in Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, die sich mehr oder weniger erfolgreich um die Lösung akuter und künftiger Probleme der Menschheit kümmern. Es gibt ihn eben nicht - den Masterplan politischer Gestaltungskunst, den Königsweg in eine Welt voller Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit. Für die Volksparteien kommt erschwerend hinzu, dass sie ihre Programme ausgerechnet in einer Zeit neu formulieren, da sie gemeinsam das Land regieren. Schon geraten die verschiedenen Ebenen durcheinander - hier der Anspruch, der Politik durch einen Kanon von Grundwerten und Leitlinien einen dauerhaften Sinn zu verleihen, dort die Notwendigkeit, das tägliche Regierungsgeschäft auf eher kurzfristige Ziele auszurichten. Die CDU, so verrät ein Blick in ihren jetzt vorliegenden Programmentwurf, ist der Versuchung erlegen, beides miteinander zu verknüpfen. Vieles von dem, was Eingang in das neue Parteimanifest finden soll, hat die CDU bereits im Wahlkampf 2005 propagiert. Damals ist der gerade auch von Angela Merkel vertretene Modernisierungskurs der Union auf deutliche Vorbehalte selbst bei den eigenen Anhängern gestoßen. Der Vorwurf einer kaltherzigen Leistungsideologie stand im Raum. Daher werden die wirtschaftsliberalen Passagen des Programms jetzt mit allerlei Zugeständnissen an die Sozialausschüsse abgefedert. Allerdings bleibt die Idee, der Freiheit des Marktes einen umfassenden Begriff von Sicherheit gleichberechtigt an die Seite zu stellen, zu vage, um Skeptiker davon zu überzeugen, dass es die CDU wirklich ernst meint mit staatlich garantierter Solidarität und sozialem Ausgleich. Mut zum Wandel beweist die Union bezeichnenderweise auf zwei Feldern, auf denen sie innerhalb der Koalition mit der SPD besonders sichtbar konkurriert. So blendet die Partei unverheiratete Paare und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften nicht länger aus ihrem Weltbild aus, Kinder und Eltern rücken anstelle von Trauscheinen in den Mittelpunkt der Familienförderung. Beim Klimaschutz kennt der Ehrgeiz der CDU kaum noch Grenzen, doch sprengt der Entwurf mit seinen quantitativen Vorgaben zur Verringerung von Kohlendioxid und zum Vorrang für erneuerbare Energien eindeutig den üblichen Rahmen eines Grundsatzprogramms. Die CDU versucht also mit den neuen Grundsätzen einen doppelten Spagat. Sie hält einerseits an jenen christlichen Traditionen fest, von denen alle Parteiprogramme seit 1947 geprägt wurden, wagt andererseits einen Schritt in die gesellschaftliche Realität des 21. Jahrhunderts. Sie beschreibt einerseits ganz im Sinne eines Grundsatzprogramms den Kernbestand konservativer Überzeugungen, liefert andererseits wie in einem Regierungsprogramm Blaupausen für Reformprojekte der laufenden Wahlperiode. Entstanden ist eine Mischung aus langfristiger Orientierung für das Parteivolk und praxisnaher Anleitung für den Regierungsalltag. Einen Schönheitspreis wird die CDU damit nicht erringen, aber überzeugender sind die Zukunftsentwürfe der SPD auch nicht.
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