LVZ: Hans-Jürgen Papier verteidigt das Gandenrecht oberster Staatsrepräsentanten / Verständnis für staatliches Austesten der Verfassung beim Schutz vor terroristischer Bedrohung
Geschrieben am 17-05-2007 |
Leipzig (ots) - Der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes, Hans-Jürgen Papier, sorgt sich um den Umgang mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Zugleich verteidigt er, auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um einen Straferlass für RAF-Täter, das Gnadenrecht und das Bemühen des Staates, mit neuen Sicherheitsgesetzen den Schutz der Bürger, auch im Widerstreit mit dem Schutz der Privatsphäre, bestmöglich zu garantieren.
In einem Interview mit der "Leipziger Volkszeitung" (Freitag-Ausgabe) sagte Papier: "Das Gnadenrecht ist durch das Grundgesetz anerkannt und durch bundes- und landesrechtliche Regelungen näher bestimmt. Es ist geltendes Verfassungsrecht." Zu oft geäußertem Unverständnis von Bürgern, dass Schwerverbrecher einerseits zu drakonischen Strafen verurteilt würden, trotzdem aber in den Genuss eines grundsätzlichen Anspruchs auf ein Leben in Freiheit kommen sollten, meinte Papier: "Was geltendes Recht ist, muss grundsätzlich auch anwendbar sein, und zwar unabhängig von Zeitströmungen oder politischen Meinungen. Der Träger des Gnadenrechts hat hierbei einen weiten Entscheidungsspielraum."
Der Präsident des obersten Gerichts in Deutschlands zeigte in dem Interview Verständnis für das Bemühen des Staates, die Grenzen des verfassungsrechtlich Zulässigem bei der Terrorismusbekämpfung auszutesten und dabei auch das Bundesverfassungsgericht einzubeziehen. "Ich respektiere und achte das Bemühen des demokratischen Gesetzgebers, auf neue, die innere Sicherheit betreffende Herausforderungen angemessen rechtsstaatlich zu reagieren."
Der demokratische Rechtsstaat habe zum einen die Freiheits- und Menschenrechte seiner Bürger zu schützen. Er habe auf der anderen Seite auch für die innere und äußere Sicherheit seiner Bürger Sorge zu tragen. Beides seien zentrale Anliegen. Dabei könnten Spannungslagen auftreten. "Es ist durchaus sachgerecht und legitim, wenn der Gesetzgeber als Erstinterpret der Verfassung versucht, diese beiden Belange angemessen in Einklang zu bringen. Aufgabe des Bundesverfassungsgerichtes ist es, wenn es angerufen wird, in letztverbindlicher Zweitinterpretation der Verfassung zu überprüfen, ob der Gesetzgeber einen angemessenen Ausgleich gefunden hat", sagte Papier.
Er wies darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht in den letzten Jahren einige gesetzliche Regelungen, die sich in dem Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit bewegten, verfassungsrechtlich beanstandet habe. Andererseits wurde bei einer Vielzahl von Gesetzen kein Verfassungsverstoß festgestellt. Natürlich nehme die Öffentlichkeit die beanstandeten Gesetze stärker zur Kenntnis. "Ich erinnere nur an das Luftsicherheitsgesetz, das die Möglichkeit eröffnete, ein von Terroristen gekapertes Passagierflugzeug durch die Luftwaffe abschießen zu lassen. Dieses Gesetz wurde wegen Verstoßes gegen die Menschenwürdegarantie und das Recht auf Leben für verfassungswidrig erklärt. Das Bundesverfassungsgericht hat auch die Regelungen des Niedersächsischen Polizeigesetzes zur vorbeugenden Telefonüberwachung wegen Verstoßes gegen das Fernmeldegeheimnis und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beanstandet." Das seien "spektakuläre Fälle", aber "keine gefährliche Tendenz".
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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