LVZ: Leipziger Volkszeitung zu Merkel/EU-Gipfel
Geschrieben am 14-06-2007 |
Leipzig (ots) - Von Heiligendamm nach Brüssel - Miss World kommt nicht zur Ruhe, die Gipfelstürmerin Merkel ist wieder gefragt. Dabei hat die Kanzlerin auch als EU-Ratspräsidentin schon eine Reihe beachtlicher Erfolge vorzuweisen. So wurden unter dem deutschen EU-Vorsitz anspruchsvolle Vorhaben wie Roaming-Gebühren beim Handy-Telefonieren im Ausland, die TV-Richtlinie oder der Europäische Zahlungsverkehr professionell unter Dach und Fach gebracht. Gemessen wird der sechsmonatige EU-Auftritt des Teams Merkel jedoch einzig allein an der Frage, ob es auf dem EU-Gipfel in einer Woche gelingen wird, Europa aus der seit zwei Jahre währenden Verfassungskrise herauszuführen. Es ist der wahre Härtetest - denn erst neue Spielregeln machen die Union zu einem Global Player, der fit ist für neue Herausforderungen wie Klimaschutz, internationaler Terrorismus und Energiesicherheit. Gewiss: 18 EU-Länder haben der EU-Verfassung schon zugestimmt, aber das reicht bei weitem nicht. Denn seit dem "Nee" der Niederländer und dem "Non" der Franzosen steckt die EU tief in der Sackgasse. Angela Merkel zeigt sich in ihrer Regierungserklärung zwar zuversichtlich, die Blockade überwinden zu können. Tatsächlich erweisen sich die Neinsager von 2005 mittlerweile als das geringste Problem. Frankreichs neuer Präsident Sarkozy, der für eine vereinfachte Verfassung wirbt, entpuppt sich sogar als engagiertester Verbündeter der Kanzlerin. Die wahren und gefährlichsten Blockierer sitzen derzeit in Warschau und - fast schon traditionell - in London, zum Teil auch in Prag. Es sind vor allem die Kaczynski-Brüder, die die geplante doppelte Mehrheit im Ministerrat als inakzeptable Schwächung Polens kategorisch ablehnen und nun einen verhängnisvollen Kollisionskurs steuern. Die Lage ist bedrohlich: Indem die Kaczynskis zwei Dutzend EU-Staaten erpressen, stellen sie gleichzeitig das gesamte europäische Einigungswerk infrage. Mehr noch: Wer den Vertrag - ob er nun Verfassung, Grundgesetz oder ganz schlicht Änderungsvertrag heißt - blockiert, schlägt gleichzeitig den beitrittswilligen Völkern des Balkans die Tür vor der Nase zu. Die Kroaten, die schon 2009 beitreten könnten, wären die ersten, denen der Zutritt zum Hause Europa versperrt wäre - weil Erweiterungen ohne eine grundlegende Verfassungsreform sinnlos sind. Von einem Plan B für den Fall des Scheiterns wird in Brüssel nur im Flüsterton gesprochen. Wie er aussieht, liegt auf der Hand. Stellen sich Polen und Großbritannien quer, wird es zwangsläufig ein Europa der zwei Geschwindigkeiten geben, eine Zwei- oder Drei-Klassen-Gesellschaft wäre die Folge. Dann sollten die Polen und Briten in den Spiegel schauen und sich gleich die Grundsatzfrage stellen, ob sie dem Klub noch angehören wollen. Das Fatale: Das Einigungswerk Europa wäre auf jeden Fall kaputt.
Originaltext: Leipziger Volkszeitung Digitale Pressemappe: http://presseportal.de/story.htx?firmaid=6351 Pressemappe via RSS : feed://presseportal.de/rss/pm_6351.rss2
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