Allg. Zeitung Mainz: Im Wolkenkuckucksheim - Zur EU-Verfassung
Geschrieben am 14-06-2007 |
Mainz (ots) - Frau Merkel hat gar keine Wahl. Die Kanzlerin und amtierende Ratspräsidentin muss vor einem Scheitern des europäischen Verfassungsvertrags warnen, auch wenn sie weiß, dass diese Mahnung in den Wind gesprochen ist. Ein Wunder müsste geschehen, wenn sich die vielfältigen Vorbehalte gegen eine gemeinsame Konstitution in letzter Minute noch ausräumen ließen. Beispiel Polen: Es ist den Nachbarn doch ohne besondere Mühe nachzuempfinden, dass sie ihre soeben erst zurückgewonnene Selbstständigkeit, das Wiedererblühen eines selbstbewussten Staatsgefüges nach all den insgesamt Jahrhunderte langen Leiden nicht postwendend wieder zur Disposition stellen wollen, auch wenn die Europäische Union und der alte Ostblock absolut nichts gemeinsam haben. Es wird deshalb auch kaum reichen, im Blick auf den Brüsseler Gipfel die Staats- und Regierungsspitze formal diplomatisch einzubinden und gegebenenfalls auf einen Fahrplan zu verpflichten. Wenn die Bevölkerung nicht mehrheitlich mitspielt, wird all das vergebliche Liebesmüh bleiben. An breiter Akzeptanz mangelt es dem Verfassungsentwurf aber auch in einer Reihe anderer Staaten. Eine Abstimmung in Deutschland, wenn es sie denn gäbe, würde vermutlich nichts anderes belegen. Bürgernähe wird aus Brüsseler Sicht bis heute nicht so verstanden, wie der Bürger sie landläufig verstanden haben will. Die Ameisen in der Brötchentüte gehen die EU-Bürokraten nun mal nichts an. Dafür zuständig sind deutsche Lebensmittelkontrolleure und vielleicht das Gesundheitsamt. Brüssel muss sich derweil um spürbare Vereinfachungen, Entbürokratisierung, Angleichung der sozialen Bedingungen und einen gerechten Interessenausgleich für alle EU-Bürger kümmern. Eine gezielte Ergänzung geltender Verträge könnte da schon sehr schnell von Erfolg gekrönt sein. Alles andere sind Wolkenkuckucksheime. Die Vereinigten Staaten von Europa jedenfalls finden auch auf lange Sicht nicht statt.
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