Westdeutsche Zeitung: Kernenergie = von Stefan Küper
Geschrieben am 04-07-2007 |
Düsseldorf (ots) - "Es gibt nichts Schöneres, als über Kernenergie zu diskutieren", sagte Umweltminister Sigmar Gabriel vor einigen Wochen ironisch. "In Deutschland gehört es zum guten Ton, dass man zu dieser Frage eine Meinung hat und auch nach 30-jähriger Diskussion diese Meinung nicht ändert." Ein wahrer Satz. Tatsächlich wird kaum eine Debatte so sehr von Ideologie beherrscht wie die über die Atomkraft. Gegner bleiben Gegner, Befürworter bleiben Befürworter. Dabei geben der Klimawandel auf der einen und der jüngste Vorfall im AKW Krümmel auf der anderen Seite genug Anlass, den Versuch einer ideologiefreien Betrachtung zu wagen. Die Atomkraft ist zweifelsfrei die gefährlichste Form der Energieerzeugung. Nicht, weil deutsche Kraftwerke besonders unsicher wären - das Gegenteil ist der Fall. Aber ein einziger Fehler kann Kettenreaktionen in Gang setzen, an deren Ende im schlimmsten Fall ein Gau steht: der "größte anzunehmende Unfall". Was ein Gau bedeutet, hat Tschernobyl uns gelehrt. Die Atomkraft ist auch die folgenreichste Form der Energieerzeugung. Sie produziert Abfall, der noch Jahrhunderte lang strahlen wird. Niemand weiß, wie und wo man diese strahlende Hinterlassenschaft sicher lagern könnte. Schächte werden als "sicheres Endlager" genannt - aber gilt das auch in 100 Jahren? Die Atomkraft belastet das Klima nicht mit CO2, genauso wenig wie die erneuerbaren Energien. Erstere hat aber einen weiteren Vorteil: Sie produziert relativ zuverlässig Energie. Selbst wenn es gelänge, die erneuerbaren Energien in 15 Jahren so auszubauen, dass sie das Produktionspotenzial der Atomkraft überrunden würden, bliebe die Abhängigkeit von Sonne und Wind. Die Experten sprechen vom Problem der "Grundlast". Wir benötigen auch dann Energie, wenn es regnet oder Flaute herrscht. Es wäre viel gewonnen, wenn sich die Debatte über die Atomkraft allein an diesen nüchternen Fakten orientieren würde. Dann könnten vielleicht auch die Reaktor-Betreiber davon überzeugt werden, dass es besser wäre, die erneuerbaren Energien so weiterzuentwickeln, dass das Grundlast-Problem gelöst wird. Für den Übergang benötigen wir die Kernkraft. Der Ausstiegsbeschluss bietet dafür einen realistischen Zeitrahmen.
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